Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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geben zu müssen glaubt, welches die Thätigkeit des betreffenden Organs lähmt 
(Digitalin) im andern Falle ein solches, welches sie steigert (Alkohol oder 
Koffein), der darf sich umsoweniger der Gefahr aussetzen, die Fälle zu verwechseln 
und fehl zu greifen, als seine Mittel außerdem meist scharfe Gifte sind und den 
Organismus schon in jedem Falle schädigen. 
Nun weiß man aber, wie ungemein schwierig eine genaue Feststellung 
der Krankheit (Diagnose) aus sehr vielen Gründen schon bei ziemlich ge 
wöhnlichen Krankheitserscheinungen, wie viel mehr bei selteneren und ver- 
wickelteren ist. Dafür giebt es viele Gründe. Zunächst ist jede Krankheit ein 
„Individuum", ein besonderes, und lediglich die Notwendigkeit, uns für unsere 
Erkenntnis Anhaltspunkte zu schaffen, welche zu unserer schnellen Orientirung 
dienen können, hat uns genötigt, die Krankheiten nach ihnen gemeinschaftlich 
zukommenden oder abweichenden Symptomen in verschiedene Abteilungen, 
Unterabteilungen zu ordnen, gewissen Symptomengruppen bestimmte Namen 
zu geben u. s. w. In Wirklichkeit ist aber jeder einzelne Fall von Kolik ein 
besonderer Fall, der mit anderen Fällen sehr große Ähnlichkeit, sogar viel 
Identisches haben kann, aber doch niemals vollständig mit ihnen übereinstimmt. 
Diese Wirklichkeit ist freilich himmelweit verschieden von den Phantasien 
der Bakteriologen, wonach es, wenigstens bei den auf einem specifischen Bacillus 
basirenden Krankheiten, lediglich auf die Vernichtung dieses Bacillus ankäme, 
um die Krankheit zu beseitigen. 
Endlich kann man den Tieren nicht in den Leib sehen, sowenig, wie den 
Menschen, und erstere können uns auch ihre Schmerzen und Leiden nur durch 
Stöhnen und Seufzer, Krämpfe und Zuckungen mitteilen, während beim 
Menschen doch noch die Sprache zu Gebote steht. 
Unter diesen Umständen ist eine Heilmethode, welche in vielen Fällen nicht 
sofort symptomatisch verfahren zu dürfen, sogar sehr oft ihr Einschreiten ver 
schieben zu müssen glaubt, weil das Krankheitsbild noch nicht deutlich hervor 
tritt, nicht nur von einer genauen Krankheitserkennung (Diagnose) abhängig, 
sondern auch in Folge dessen oft zum Abwarten und zur Unthätigkeit ver 
dammt, wo ein schnelles und entschiedenes Eingreifen sehr von Nöten wäre. 
Ihr geht nicht nur die günstigste Zeit zum Einschreiten verloren, sondern es 
entwickeln sich auch oft genug schwerere Formen der Krankheit, die sonst gänzlich 
vermieden worden wären. 
Wird nun gar in der „Diagnose" ein Irrtum begangen, so kann dieses 
geradezu verhängnisvoll werden, und wird es häufig, da das Tier dann 
unter Umständen von einer giftigen Arznei gequält wird, welche die bestehenden 
Krankheitszeichen nur noch um neue vermehrt. 
Aber selbst, wenn die Diagnose richtig ist, verändert sich das Krank 
heitsbild unter der Einwirkung von Arzneien sofort und wird oft so verwickelt 
und undeutlich, daß die ursprüngliche Form sich gänzlich verwrscht und 
verdunkelt. 
Ganz anders verhält sich dies bei der Naturheilmethode. Die 
erkennbaren Krankheitszeichen, welche deutlich hervortreten, wie z. B. Fieber, 
Nasenausfluß, Anschwellungen, Krämpfe u. s. w. sind zugleich deutliche Heil 
anzeigen für die paffende Behandlung. Bei einer solchen aber verschwinden 
entweder diese Symptome unter entsprechender Rückkehr des normalen Zustandes 
d. h. also, es tritt Heilung ein, oder es entwickelt sich ein von Stunde zu 
Stunde deutlicheres Krankheitsbild, welches dann auch eine sehr genaue 
Diagnose im medizinischen Sinne gestattet, obwohl eine solche für die 
Heilwirkung des Naturheilverfahrens in den meisten Fällen nicht erforderlich ist. 
Ich werde einige Beispiele aus meiner Erfahrung hier gleich anfügen.
	        
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