Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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heranzuziehen, — vor allem die Haut. Diese kann vermöge ihres Baues, 
ihrer Leistungsfähigkeit, ihrer räumlichen Ausdehnung, ihrer schnellen Re 
generationsfähigkeit am meisten zur Ausscheidung in Anspruch genommen werden, 
ohne Schaden zu leiden. 
Wie schwierig ist es aber, auch in acuten Krankheiten, oft Schweiß zu 
«zeugen! Einmal, weil die Haut der Patienten „durch frühere mangelhafte 
Pflege" abgestorben ist, und zweitens, weil fast das ganze Waffer, welches der 
Organismus in stch faßt, von der Naturheilkraft dazu benutzt wird, die Glut 
des in den edleren Organen befindlichen Blutes ihrer lebensbedrohenden Höhe 
zu berauben. Nicht allein die Haut. auch die beiden anderen Waffer ausscheidenden 
Organe, Lunge und Nieren, werden in acuten Erkrankungen in der 
Wafferausscheidung knapp gehalten 
Wenn nach Verlauf einiger Tage die Verbrennung der Schädlichkeiten im 
Anneren stattgefunden hat, strömt das mit Auswurfsstoffen gesättigte Blut 
lebhafter in die Ausscheidungsorgane, — das Harnwaffer ist reichlicher und 
mit Abfallstoffen gesättigt, der Aiem ist nicht mehr so trocken und brennend, 
mehr feucht und schlecht riechend, die heiße, trockne Haut wird allmählich durch 
bluteter, verliert ihre Sprödigkeit und beginnt zu schwitzen, — Waffer und 
Noxen (Schädlichkeiten) auszuscheiden. Jetzt ist der Beginn der Genesung. 
Die Hauptfrage, welche sich für die acuten Krankheitsfälle in Bezug auf 
die Schweißmittel ergiebt, lautet: „Soll der Naturarzt im Anfangsstadium 
der Krankheit, im Stadium (Zeit, Zustand) der „trocknen Haut" Schweiß 
mittel, also etwa Dampfpackungen, Dampfbäder, Trockenpackungen rc. an 
wenden?" 
Bei milden Fiebergraden könnten wir die Frage bejahen, zumal wenn 
es sich nicht um „Zehrfieber" handelt, bei hohen Fiebergraden jedoch werden 
wir uns nur selten entschließen, stärkere Schweißvrozevuren anzuwenden, nur 
dann, wenn aus irgend welchen Gründen eine Notwendigkeit entspringt. Es 
nützt in der That häufig bei Krankheiten mit lebhafiem Fieber keine Schweiß 
prozedur, um den ersehnten Schweißausbruch hervorzubringen. Ich scheue mich 
z. B. nicht, bei Dtphtheritiskranken mit 39° ein Bettdampfbad anzuordnen, 
wenn Gefahr im Verzüge ist, — aber es wird nicht immer gelingen. Schweiß 
hervorzurufen. Da bei den meisten fieberhaften Krankheiten die Temveratur 
schwankt, so verordne ich, die Dampfauwendung meist in die Zeit der Mindest- 
temperatureu zu verlegen. Meine Gepflogenheit ist es also, erst die Haut 
-durch Bäder und Packungen für einen Schweißausbruch gehörig vorzubereiten, 
durch Waschungen mit Frottirungen die Hautnerven anzuregen, allmählich wieder 
selbstthätig Schweiß zu schaffen (Daß diese Prozeduren auch den Zweck 
haben, dem Fieber seine gefahrdrohenoe Höhe zu benehmen, den Kranken zu 
-erfrischen rc. ist selbstverständlich, — an dieser Stelle handelt es stch nur um 
die „Schweißfrage."). Erst, wenn durch die innere Glut die Schädlichkeiten ver 
brannt und für die Ausscheidung bereit liegen, wenn der Körper selbst Schweiß 
ins Leben ruft, kann man, besonders, wenn die Temperatur gesunken ist, aus 
giebigen Gebrauch von Schweißprozeduren machen. 
Auch die Frage: „Welches Schweißmittel soll in einem gegebenen Falle 
-angewendet werden", läßt sich nicht so ohne Weiteres entscheiden, soll auch 
gar nicht festgestellt sein, da die Anwendung unserer Heilfaktoren nicht nach der 
Schablone geht. Wir müssen individuell, d. h. den jeweiligen Zustand und den 
Patienten selbst berücksichtigend, vorgehen. Aber eine gewisse Selbstständigkeit 
in der Anordnung muß sich der behänd-lnde Naturarzt stets wahren und nicht 
4- B. dem Patienten nur dasjenige Schweißmittel anordnen, welches ihm ein 
mal bei Anwendung „gut bekommen ist." Wenn es sich dagegen um einen
	        
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