Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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aufs äußerste abgemagert, mit grau gelblicher Gesichts- und Hautfarbe, spröder und welken 
Haut, dickbelegter Zunge, fauligem Geruch aus dem Munde, kalten, bläulichen Händen und 
Füßen, bietet der Kranke mit seiner niedergeschlagenen und trüben Gemütsstimmung das 
deutliche Bild einer schweren Erkrankung des Magens. Die physikalische Untersuchung 
der Magengegend ergiebt neben einer geringfügigen Vergrößerung der Leber und Erwei 
terung des Magens, eine am Grunde desselben befindliche, auf leichten Druck schon 
sehr schmerzhafte, etwa markstückgroße verhärtete Stelle der Magenwandung. Bei weiterer 
Beobachtung des Falles stellt sich Folgendes heraus: Jedesmal nach dcm Essen, zuweilerr 
auch nüchtern, treten heftige, bis in den Rücken ausstrahlende, krampfartige (kardialgische) 
Schmerzanfälle in der Magengegend auf, tvelche oft stundenlang anhalten und von Auf- 
stoßen einer scharfen, sauren Flüssigkeit und Brechneigung begleitet st d, denen manchmal 
wirkliches Erbrechen folgt, und die stets eine große Schwäche und Schwarzwerden vor den 
Augen und Schwindligsein hinterlassen. Der Stuhlgang ist unregelmäßig, meist angehalten, 
zuweilen von schwärzlicher Färbung. 
Es handelte sich im vorliegenden Falle zweifellos um ein seit längerer Zeit bestehen 
des, ziemlich großes Magengeschwür an einer Stelle der Magenwand, wo solche gerade 
nicht häufig vorzukommen Pflegen, und für dessen Entstehung der Kranke vornehmlich über 
große Anstrengungen und Gemütsbewegungen bei unzweckmäßiger Nahrungsaufnahme (un 
regelmäßiges und hastiges Essen) beschuldigt. 
Bet der B Handlung machten sich drei Gesichtspunkte geltend: 
I. Die Wiederherstellung zunächst einer gleichuläßigen Blutcirkulation, wie der dar 
niederliegenden Hautthätigkeit, welche erstere namentlich durch Stauungen im Gebiet des 
Pfortader-Kreislaufes erheblich gestört war. Dieselbe wurde erreicht durch anfängliche 
Trockcnpackung mit darauf folgenden lauen Abwaschungen, Abreibungen des Morgens und 
Abends, später durch kurze Halbbäder mit Begießung nach vorheriger Anwärmung im 
Dampflasten, Ganzpackungen, Sitzbäder, leichte Massage der Gliedmaßen und Klystiere; 
2. die Verbesserung der S ftenuschung (durch vermehrte Blutbildung), durch eine ausge 
wählte, leicht verdauliche, nahrhafte, reizlose Kost; 3. die Beseitigung der Schmerzansälle; 
letztere wurde erzielt einmal durch eine streng geregelte Diät (der Kranke erhielt anfangs 
nur flüssige Nahrung, welche er in liegender Stellung und nur theelöffelweise sehr langsam 
sich einverleiben durfte), dann aber durch die Anwendung von Letbumfchlägen und Waden 
packungen (während der Krampfanfälle Dampfcompressen). 
Bei dieser Kur verloren sich allmählich die Schmerzen, die Brechneigung, das Kälte 
gefühl, die Anfälle von Schwindligsein; der Kräftezustand hob sich mit dem Körpergewicht; 
der Kranke, dessen gedrückte Stimmung einer hoffnungssreudigen Platz gemacht halte, ge 
wann ein immer besseres Aussehen, vertrug eine konsistentere Kost, konnte weitere Spazier 
gänge ohne Ermüdung unternehmen und verließ nach vierwöchentltchem Aufenthalt, geheilt 
von seinem Magengeschwür die Anstalt, um seine Beschäftigung in vollem Umfange wieder 
aufzunehmen. Sein Wohlbefinden ist andauernd, wie seine Vorstellung hier vor einigen 
Tagen zur Genüge kund that. — 
II. Ein l2jähriges Mädchen erkrankte im Februar 1888 gelegentlich der in Chemnitz 
herrschenden Epidemie an einem schweren Typhus, gleichzeitig mit ihrem Vater, welcher der 
Krankheit erlag, während sie selbst zwar mit dem Leben davonkam, aber als ein hilfloser 
Krüppel, gelähmt und verkrümmt, ihr Schmerzenslager nicht mehr verlassen konnte und in 
dem denkbar elendesten Zustande Ende vorigen Jahres in die Anstalt aufgenommen wurde. 
Die Kranke, zum Skelett abgemagert, bot einen wahrhaft abschreckenden Anblick dar: sie lag, 
ein Bild des Jammers, fast unbeweglich auf dem Rücken und konnte nur die Arme be 
wegen, während beide Beine im Kniegelenk spitzwinklig gekrümmt, an den Leib gezogen 
waren und unbeweglich in dieser Stellung verharrten. Aus dem Kreuzbein und an den 
großen Prochanteren beider Oberschenkel fanden sich große, strahlige, in ihrer Mitte noch 
absondernde, fest mit den unterliegenden Knochen verwachsene, frische Narben vor, herrührend 
von Druckbrand. Die Muskulatur des ganzen Körpers, vornehmlich der unteren Gliedmaßen 
war, soweit man von ihr überhaupt noch sprechen konnte, atrophisch, die Haut welk, grau 
gelb, schlotternd. Beide Kniegelenke waren ankylotisch, die Haut in der rechten Kniebeuge 
zeigte eine etwa 4 cm lange, querüberlaufende Schnittnarbe. 
In diesem hilflosen Zustande wäre die Kranke wohl zweifellos zu Grunde gegangen 
oder doch eitlem überaus traurigen Sch cksale rettungslos anheimgefallen, wenn nicht in. 
letzter Stunde hifsbereite Herzen ihre Verbringung in die Anstalt, die ja Unbemittelte be 
sonders berücksichtigt, ermöglicht hätten. 
Nach einer dreimonatlichen Kur in der Anstalt ist denn auch aus dem gelähmten 
elenden Krüppel zur-Freude aller ein blühendes, wohlgenährtes Mädchen geworden, welches 
munter und frisch im Garten und Park herumspazien, sich zwar heute noch einer 
Stütze bedient, aber auch dieser binnen ganz kurzer Zeit wird entraten können. 
Dieser, in der That glänzende Erfolg ist auf sehr einfache Weise durch eine sorgsame
	        
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