Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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Kenntnis derselben gegen den Unverstand der Badenden anzukämpfen vermag. 
Die Schule könnte in dieser Beziehung viel thun, und die Autorität des 
Lehrers müßte diejenige des Badepersonals unterstützen. 
Bevor wir die Bedingungen kennen lernen, welche dem Flußbade seinen 
segensreichen Erfolg sichern, dürfte es notwendig sein, vorerst einen Blick auf 
die Wirkung des kühlen Bades überhaupt zu werfen. 
Bei einer Benässung des Körpers mit Wasier, welches (wie das Fluß- 
wasser im Sommer) 10, 12. 15" unter der Körpertemperatur liegt, ziehen sich 
die zahlreichen, nach Millionen zählenden Gesäße (Adern), welche die Haut mit 
Blut versorgen, unter der Wirkung der Kälte zusammen. Ihr Gehalt an 
Blut verringert stch; dasselbe wird nach dem Körperinnern gedrängt. Die 
Haut zeigt sich infolge des verminderten Blutgehalis blaß und kühl; sie ver 
mag als kühler Körper nur wenig Wärme an ihre Umgebung auszustrahlen; 
das Körperinnere bleibt daher so warm, als es für unser Wohlbefinden not 
wendig ist. Trotz der auf die Haut wirkenden Kälte wird der Körper nicht 
„erkältet/' Die Zusammenziehung der Adern wird im gegebenen Falle durch 
die Nerven veranlaßt. Eine besondere Gruppe derselben (die Empfindungs 
nerven) teilt es mit Blitzesschnelle dem Gehirn, welchem ja vorwiegend dieLenung aller 
Lebensvorgänge obliegt, mit, sobald Kälte auf die Haut einwirkt. Vom Ge 
hirn aus wird durch andere Nerven, welche neben den Blutbabnen herlaufen, 
die Zusammenziehung dieser bewirkt. Bei jedem kühlen Bade haben somit die 
Nerven eine nicht geringe Arbeit zu leisten. Pünklichste Wirksamkeit ihrerseits 
ist nötig, wenn der Körper bei speciellem Wechsel von Wärme und Kälte vor 
Schädigungen bewahrt bleiben soll. Indem wir uns durch das kühle 
Bad gewissermaßen künstlich „erkälten", zwingen wir die Nerven, stets auf 
dem Posten zu sein. Wie die Wachtposten auch im Frieden unablässig kon- 
troliert und alarmiert werden, um in ihrem wichtigen Dienste für den Kriegs 
fall geübt zu werden, so üben wir auch unsere Nerv n durch öftere kühle Bäder 
.(Waschungen) so, daß sie ihren Dienst in bester Weise dann auszuüden ver 
mögen, sobald die Notwendigkeit an sie herantritt, den Körper vor Erkältungen 
zu schützen. — Die Abkühlung durch das Bad bewirkt im weiteren, daß die 
jenigen Vorgänge lebhafter als sonst von statten gehen, durch welche dem 
Körper die verloren gehende Wärme ersetzt wird. Die allmäliche Umbildung 
der gesammlen Gewebe (Muskeln, Häute, Fasern, Nerven, Knorpel, Knochen) 
die Ausscheidung der durch die Lebenslhärigkeit verbrauchten Bestandtelle, die 
Ausnahme des dazu nötigen Sauerstoffes durch Lungen und Haut, die 
Verwandlung der aufgenommenen Nahrung in Blut: kurz alles dasjenige, 
was wir als Stoffwechsel bezeichnen, und wodurch dem Körper Kraft und 
Wärme geliefert werden, vollzieht sich rascher und kraftvoller. Abhärtung einer 
seits, Anregung des Stoffwechsels andererseits sind die nächsten Wir 
kungen des kühlen Bades. Daher das freie Armen nach dem Bade, der 
-lebhafte Appetit, das kräftige Pulsieren des Blutes, die Wärme und Kraft, 
welche den Körper durchströmen, die geistige Frische bei Tage, der tiefe, ruhige 
Schlaf bei Nacht. 
Auf das anfängliche Zurückweichen des Blutes von der Oberfläche — 
der Erstwirkung des kühlen Bades — erfolgt unter dem Einflnffe des leb 
hafter vor sich gehenden Stoffwechsels ein Wiederzuströmen von Blut nach der 
Haut, eine kräftige Durchblutung, ein förmliches Aufquellen derselben. Luft 
und Sonnenlicht besöidern den Eintritt dieser Nachwirkung (Reaktion). Es 
ist ersichtlich, daß durch die vollbelebte und durchbluieie Haut die Ausscheidung 
ganz anders vor sich gehen muß, als durch eine mit Schmutz- und Schweiß-
	        
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