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dieser Periode die meisten Impfungen. Im penjab wurde die Zwangsimpfung
im Jahre 1884 eingeführt, aber gerade da gab es mehr Vlatterntodesfälle, als in
irgend einer anderen povinz. Der Sanitätsbericht bemerkt:
„hygienische Maßregeln sind ihrer Natur nach wesentlich vorbeugend, während
Arzneimittel und Spitäler kostbare Palliativanstalten sind, hygienische Maßregeln
fordern Geschicklichkeit und Voraussicht, palliative nur Geld."
Line bisher nicht beachtete Gefahr für große Städte scheint außerdem in der
Anwesenheit von Spitälern in Mitte einer dichten Bevölkerung zu bestehen. Alle
auf Reinigung von Boden, Wasser und Luft gerichteten Sanitätsmaßregeln müssen
als unzureichend angesehen werden, wenn die Spitäler wirklich die Herde anstecken
der Krankheiten sein sollten, wie in dem eben jetzt von dem Londoner Sanitäts
kollegium dem Parlamente vorgelegten Berichte angedeutet ist.
Man hat in London Spitäler in dicht bevölkerten Bezirken errichtet und das
Resultat war, daß diese Bezirke, welche früher ausnehmend von Blattern verschont
blieben, nun die Herde der Epidemie für die Metropole wurden. Dies wurde an
dem Beispiele des Fmlham-Spitales mit Hilfe einer Karte nachgewiesen, welche eine
Lodenfläche im Durchmesser von I Meile umfaßt. Die Lage aller Häuser, welche von
Blattern heimgesucht wurden, ist sorgfältig auf der Karte ersichtlich gemacht und das
Ergebniß war, daß die Zahl der infizirten Häuser im ersten Kreise nahe am Centrum
(welches das Spital bildet) auf je 100 Häuser circa II, im zweiten Kreise 2,16,
im dritten 0,92 und im vierten und äußersten Kreise 0,71 betrug. Der mit der
Nähe zunehmende schädliche Einfluß des Spitals ist durch diese graphische Dar
stellung recht anschaulich dargestellt.
Die Sterberegister weisen diesen Einfluß auch bei drei anderen Spitälern
nach. In hamstcad z. B., welches vollkommen pockenfrei war, traten die Pocken
heftig auf, nachdem dort ein Spital errichtet wurde. Als das Spital im Jahre
1879—1883 geschlossen wurde, hat hamstead seinen früheren günstigen Stand
zurückgewonnen, den es alsbald wieder verlor, als das Spital geöffnet wurde.
Dr. Buchanan, der Sanitätsrefcrent des Londoner Magistrates, der allerdings als
vom Staate bestellter und besoldeter Impfinspector nicht als unbefangener Sach
verständiger angesehen werden kann, erklärt auf Grund dieser Daten für genügend
bewiesen, daß in London alle Blatternspitäler diese unheilvolle Eigenschaft, die
Krankheit in der ganzen Runde zu verbreiten, theilen. Cr behauptet ferner, daß
diese Eigenschaft sich auf die Entfernung von wenigstens einer Meile (englische
Meile) erstrecke und ganz unabhängig von den Linien dep menschlichen
Verkehrs sei. verbesserte Ambulanz-Vorrichtungen, vollständige Isolirung
der kranken vom Verkehr mit der Außenwelt, seien gleich wirkungslos bezüglich
dieses unheilvollen Einflusses. Wie dieser entstehe, wüßten wir nicht, daß er aber
bestehe, sei unzweifelhaft. Aus dieser Darstellung würde sich vom sanitären
Standpunkte aus die Forderung ergeben, daß Spitäler nicht nur für Blattern,
sondern für alle sogen, zymotischen Krankheiten außerhalb der Städte zu verlegen
seien. Cs bleibt jedoch immerhin auffallend, daß diese infectiöse Eigenschaft der
Spitäler bisher nur in London beobachtet wurde und daß z. B. ähnliche Er
fahrungen von Seiten des Wiener Allgemeinen Krankenhauses sowie des Rudolfs-