Volltext: Der Naturarzt 1888 (1888)

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und ernst gefragt wird, was denn eigentlich Naturheilkunde sei! Man sieht aus 
den Mienen dieser Leute, daß sie schon anfangen, davor Respekt zu bekommen, 
und ich finde, dieses ist für die großenteils denkfaule Menschheit immer schon 
ein recht erfreuliches Zeichen. Gehen wir nun aber einmal einen schritt weiter 
und sprechen von denjenigen, welche der Naturheilkunde schon etwas näher 
getreten, sind. Unter diesen giebt es noch eine Menge, welche der irrigen 
Meinung sind, daß man durch Naturheilkunde nur eine Anzahl kleiner, täglich 
vorkommender Unpäßlichkeiten heben könne, wenn es sich aber um größere 
Krankheiten, als Scharlach, Diphtheritis, Leber- und Nierenleiden, Frauenkrank 
heiten, Nervenleiden, Augen- und Ghrenleiden rc. handelt, dann müsse man 
sich doch lieber an einen ordentlichen Doktor wenden. Diese Leute verkennen 
den Werth der Naturheilkunde noch gänzlich. Da ich bestimmt weiß, daß auch 
unter den Lesern des „Naturarzt" noch manche sind, welche trotz aller Artikel 
über günstige Heilerfolge bei schweren Krankheiten doch noch eine ähnliche 
geringschätzende Meinung über Naturheilkunde haben, so sei es mir gestattet, 
diese Halbgläubigen über den hohen Werth der noch so vielfach bei Hoch und 
Niedrig verkannten Naturheilmethode etwas aufzuklären, was verstehen diese 
Leute unter einem ordentlichen Doktor? Doch nur den alten Bekannten aus 
früheren Jahren, welcher bei Krankheitsfällen kommen mußte und dann ein 
lateinisches, den Meisten unverständliches Rezept schrieb, welches dann sorgfältig 
von einer zuverlässigen Person in die Apotheke gebracht und nach einer halben 
Stunde nebst dem vermeintlichen Wundertrank wieder abgeholt wurde, wurde 
dann durch die eingenommene Arznei im günstigen Falle die eine Krankheit 
bekämpft und es entstand eine andere, so hatte nicht Doktor und Arznei die 
Schuld, sondern der Fimmel. Starb aber im anderen Falle der sonst noch 
lebensfähige Patient, so hieß es: Nach Gottes Rathschluß! — wirklich riesig 
bequem, die Folgen eines althergebrachten menschlichen Unsinns auf das Schicksal 
zu schieben, wer die Naturheilkunde in ihrem ganzen Wesen richtig verstanden 
hat und wissenschaftlich zu begründen weiß, macht sich freilich eine ganz andere 
Vorstellung von einem ordentlichen Doktor. — Gs ist doch eine längst erwiesene 
und unumstößliche Thatsache, daß jeder kranke und noch lebensfähige Körper 
ein natürliches Heilbestreben in sich trägt, und daß es nur Aufgabe eines wirk 
lich ordentlichen Arztes ist, dieses natürliche Heilbestreben durch reine milde 
Luft, reizlose Diät, geeignete Wasseranwendung, aktive oder passive Bewegung 
zu unterstützen, um das Leiden gründlich zu heben und nicht durch Medikamente 
nur scheinbar. Viele Kinder haben nach überstandenem Scharlach bei allo 
pathischer Behandlung (also von einem sogenannten ordentlichen Doktor) Augen- 
und Ghrenleiden bekommen, welche schlimmer sind als Scharlach; Gelenk 
rheumatismuskranke haben später Herzleiden zu ertragen; Nervenkranken wird 
gewöhnlich der Verdauungsapparat noch mehr ruinirt, als er es bereits war rc., 
und dies Alles durch Arzneischlucken und Nichtbefolgung der einfachsten Ge 
sundheitsregeln. Dies kann aber bei einer rationellen Naturheilmethode nicht 
vorkommen, hier wird nicht zu dem bereits im Körper befindlichen Krankheits 
stoff noch ein neues Gift hinzugebracht, sondern durch geeignete und dem 
Patienten angepaßte Anwendung der natürlichen Heilfaktoren wird der Krank 
heitsstoff aus dem Körper entfernt und Geschwächte werden dadurch allmälig
	        
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