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schon zeitig durch verschiedene naturwidrige Erscheinungen. Schon ihr Aeußeres^
zeigt sich schwächlich; sie sind entweder lange Zeit sehr unruhig und immer
aufgeregt, oder sie schlafen umgekehrt zu viel und zu lange. Die Periode des-
Zahnens macht ihnen ungewöhnlich viel zu schaffen, indem sie während
dieser Zeit leicht und viel kränkeln; sie fangen sehr spät zu laufen an; über
haupt bleibt ihre körperliche Entwickelung leicht hinter derjenigen anderer
Rinder zurück, während die geistige oft gleichen Schritt zu halten, ja sogar nicht-
selten eine gewisse vorzeitige Reife zu erlangen pflegt. Bisweilen erscheinen
aber auch neurasthenische Rinder äußerlich ganz gesund, aber meist nur so lange,
als sie von äußeren Einflüssen verschont bleiben. Sowie sich aber die letzterem
in der einen oder anderen Form, und sei sie noch so gering, geltend machen,
so bleiben auch schon ihre schädlichen Wirkungen, wegen der geringen Wider
standskraft der kindlichen Nerven, nicht aus, und die Angehörigen des Rindes
können von Glück sagen, wenn der zarte Organismus der einen oder anderen
Rrankheit nicht erliegt. Ferner sind nervöse Rinder sehr reizbar, streitsüchtig,
spielen mit anderen Rindern nicht, ohne daß sie sich mit denselben sehr häufig,
entzweien, in boshafter, hinterlistiger, lügenhafter Weise sich äußern und sogar
krampfartige Zufälle bekommen, wenn sie ihren willen nicht durchsehen können
oder ihre wünsche nicht in Erfüllung gehen sehen. Nicht selten pflegen sich
sogar die Vorboten der Entwickelung einer unmenschlichen Natur in ihnen zw
zeigen und die noch übrig gebliebenen schwachen Spuren des früher vorhanden
gewesenen kindlichen Gemüthes sich vollends zu verlieren; der jugendliche Ver
brecher ist dann fertig, und, wenn nicht durch einen ganz ungewöhnlichen Glücks-
umstand eine plötzliche Wandlung in den Gesinnungen des Rindes eintritt, eine
Gefahr für die menschliche Gesellschaft mehr zur Reife gediehen. Ein weiterev
Faktor für Zeitigung der Nervosität ist die verkehrte Erziehung und Pflege des
Rindes, und, wenn man überlegt, was und wie viel auf diesem Gebiete ge
sündigt wird, so muß man sich nur wundern, daß die Folgen nicht noch in einend
weit ausgedehnteren Maße sich einstellen. Zu den großen Fehlern, die da be
gangen werden, gehört unstreitig in erster Linie die Geneigtheit der Eltern,
ihren Rindern allen willen zu lassen, wodurch die Launenhaftigkeit, der Eigen
sinn, Tharakter- und Willenlosigkeit derselben in hohem Grade gefördert wird,
so daß sie vor lauter Willensfreiheit nicht mehr wissen, was sie wollen. Am
Allem, was die Eltern genießen, wollen sie Theil haben, das, was die Eltern
essen und trinken, wollen auch sie essen und trinken; und in ihrer thörichten
Liebe beeilen sich auch Papa und Mama, allen Wünschen ihrer Rinder gerecht
zu werden und ihnen zu bieten, was dem kindlichen Alter geradehin Gift ist.
was den Gaumen des Rindes am meisten reizt, das wird von dem Rinde
allen anderen Speisen und Getränken vorgezogen, und so wird ihm denn Alles
geboten, was möglichst pikant schmeckt. So mundet dem Rinde nichts mehr,
als wie alkoholhaltiges Getränk; schon frühzeitig beginnt es, mit besonderem.
Behagen davon zu nippen, dann nicht lange darauf schon etwas mehr davon
zu kosten, bis es schließlich in unbewachten Augenblicken selbst nach dem Glase
langt und in einem mehr oder weniger langen Zuge einen Schluck oder deren
auch mehrere thut. Auf diese weise lernt das Rind sich schon zeitig — und'
man sollte es kaum für möglich halten — zu seiner Eltern Freude! an den