Volltext: Der Naturarzt 1887 (1887)

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Mancherlei. 
Aerzte, Patienten und arzneilose Kehandlnngsweise vor 200 Jahren. 
Fragmente einer Lorrespondenz zwischen R. Sollrau und I. Racine (1680—90). 
Mitgetheilt von A. u. Ehrmann. 
(Schluß.) 
Morgen soll das große Werk beginnen, das heißt, ich soll zum ersten Mal den Brunnen ge 
brauchen. Mein Arzt Bourdier macht mir große Hoffnungen; betreffs der Bäder aber kann er 
Fagon*) nicht beistimmen und citirt Beispiele von Leuten, die durch die Bäder ihre Stimme nicht 
allein nicht wiedergewonnen, dieselbe sogar verloren haben. 
Cs wird für mich nichts Geringes sein, das Wasser zu trinken, da dasselbe sehr einschläfernd 
wirken soll, man dabei aber absolut nicht schlafen darf. Das wird ein furchtbares Noviziat 
werden .... 
IV. 
Racine**) an Soileau. 
Paris, 25. Juli 1687. 
.... Unser gemeinsamer Freund Hessein beklagt sich immer über Blähungen und ich sehe 
wohl, daß er sich durch eine lange Disputation erleichtern möchte; aber ich bin nicht im Stande, 
ihn in der Beziehung zufrieden zu stellen, da ich mich immer im Halse angegriffen fühle, wenn ich 
längere Zeit zusammenhängend spreche. Jetzt geht es zwar besser als zu Zeit Ihrer Abreise; Herr 
Fagon und mehrere geschickte Aerzte hatten mir, wie Sie wissen, St. Reinewasser und Cichorien- 
absud zu trinken verordnet. Run habe ich aber bei Uicole einen Arzt getroffen, der mir recht ver 
nünftig zu sein schien. Cr sagte, daß er mein Uebel genau kenne, daß er mehrere solche in seinem 
Leben geheilt und daß ich niemals gesund werden könnte durch das Wasser und den Absud. Das 
einzige Wittel zur Besserung sei, nur nach Durst zu trinken und höchstens ein wenig nach dem 
Cffen, um den Speisebrei zu verdünnen. 
Cr begründete mir das mit einigen Argumenten, die mir ganz solid schienen. Der Cffect 
davon ist, daß ich gegenwärtig wirklich seiner Verordnung gemäß mich nicht mehr tränke mit diesem 
Wasser, sondern nur nach Durst trinke. Sie können wohl denken, daß man bei dieser Temperatur 
immer Durst hat. Ich habe mich also wieder in meine gewöhnliche Lebensweise eingefunden und 
fühle mich ganz wohl dabei. Derselbe Arzt versicherte mir, daß er Sie unbedingt gesund machen 
könnte, wenn das Wasser von Bourbon seine Wirkung verfehlen würde. Cr erzählte mir ein 
Beispiel von einem Sänger von Rotre-Dame, dem auch ein Catarrh die Stimme ganz genommen 
hatte. Das hatte sechs Monate gedauert und der Mann war im Begriff, seinen Beruf aufzugeben, 
als mein Arzt ihn in Behandlung nahm. Vermittelst eines Krautes, das er, wie ich glaube, 
erysimum nannte, machte ihn in drei Wochen so vollkommen gesund, daß der Sänger nicht allein 
sprechen, sondern sogar singen konnte und zwar mit einer Stimme von eben solcher Kraft wie 
ftüher. Dieser Sänger war einige 4O Jahre alt. Ich habe die Sache den Aerzten am Hose 
erzählt; sie gestehen zu, daß diese Pflanze sehr gut für die Brust sei» aber die von meinem Arzte 
ihr nachgerühmte Wirkung trauen sie ihr nicht zu .... 
V. 
Rorlean an Racine. 
Bourbon, 29. Juli 1687. 
Bis jetzt wirken die Brunnen bei mir sehr gut und nach allen Regeln, besonders da ich sie 
immer wieder übergebe; ihr Gebrauch hat jetzt schon alles aus meinem Körper hinausgeworfen, nur 
die Krankheit, für die ich sie nehme, ist noch drin. Herr Bouröier behauptet dennoch, daß meine 
*) Leibarzt des Königs. 
**) Racine wurde zur selben Zeit von einem Kehlkopfleiden geplagt, das auch ihm das Sprechen schwer 
machte. Lin Fragment feines Briefes wurde hier eingeschoben, weil es an und für sich interessant und dann zum 
Verständniß einer Stelle im nächsten Briefe Boilean's wichtig ist.
	        
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