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linge von einem Blasenansschlage befallen, der so ansteckend war, daß bis Ende
August von der kaum 3000 Seelen zählenden Bevölkerung weit über 300,
sowohl Kinder wie Erwachsene, mit jenem Ansschlage behaftet waren. Derselbe
ließ widrige nässende Borken und schließlich tief dunkelrot gefärbte Flecken zurück
und befiel die Abgeheilten von neuem, verschonte auch keinen Körperteil. Bei
den erkrankten Kindern war das Allgemeinbefinden vielfach erheblich gestört,
bei vielen die Drüsen angeschwollen, bei wenigen vereitert.
Dieser der Jmpfglorie außerordentlich ungelegeneVorfall wurde am
22. August amtlich untersucht, wobei die Massenvergiftnng konstatirt und weiter
erhoben wurde, daß den Jmpfarzt keine Schuld treffe, da erwiesenermaßen die
verwendete Lymphe aus dem k. Zentral-Institut zu Stettin stammte.
Seitdem ist die Sache noch zweimal untersucht worden und zwar durch den
Staatsrat vr. Walz (Jmpfgegner) und den Regierungs-Medizinalrat ans
Stralsund, einen Delegirten aus Berlin und die Greifswalder Professoren
Mosler und Eichstedt. Von dem Resultat ist bisher nicht viel in die
Öffentlichkeit gedrungen; man wird wahrscheinlich die Sache entweder tot
zuschweigen oder als „unbedeutend" hinzustellen versuchen. Die Be
völkerung der betroffenen Ortschaften ist dagegen sehr besorgt und erbittert,
und wird eine neue Impfung nur mit Anwendung von Zwangsmaßregeln
durchzuführen sein.
Als Seitenstück hierzu diene, daß die Jmpfversuche des französischen Che
mikers Pasteur mit Wutgift (gegen Hundswut) sich immer mehr als Täu
schung erweisen. Bon den angeblich geheilten Patienten starb einer nach
dem andern, während bei den leben gebliebenen fast mit Sicherheit angenommen
wird, daß die Hunde. von denen sie gebissen wurden , n i ch t t o l l waren.
Also dasselbe Resultat, wie bei den Milzbrandimpfnngen, bei welchen selbst die
vorsichtige preußische Regierung „hereinfiel' und viel Geld opferte. Nach
träglich mußten diese Impfungen verboten werden, da sic ungeheuren Schaden
angerichtet hatten. Bezüglich der Wutgiftimpfungen sagt der von mehren nam
haften französischen Gelehrten erstattete Bericht etwas derb, daß „ihnen" —
den Wutgiftimpfungen — „nur noch Tölpel und Dummköpfe Beifall zollen
können", ein Urteil, so hart, wie es der immerhin wissenschaftlich strebende
Pasteur denn doch wohl nicht verdient.
Vas Naturhcilversahml vor der Strafkammer des großh.
Landgerichtes in Darmstadt.
In dem in Darmstadt erscheinenden „Täglichen Anzeiger" vom
26. November vor. Jahres ist vorstehender Artikel veröffentlicht:
„Die von Oberstlicutenant Spohr in Gießen Namens seiner Ehefrau
und von Georg Weicker in Auerbach gegen den Redakteur dieses Blattes
angestrengte Beleidigungsklage kam gestern vor der Strafkammer Gr. Land
gerichts in der Berufungsinstanz zur Verhandlung, nachdem von dem hiesigen
Schöffengericht Redakteur Kick) ler freigesprochen worden war. Gegenstand der An
klage war bekanntlich ein im „Täglichen Anzeiger" erschienener Artikel, in
welchem gegenüber einer in den „Neuen Hessischen Volksblättern" enthaltenen
Anpreisung des G. Weicker, der den Herrn Professor vr. Oncken und andere
von den Ärzten angeblich aufgegebene Kranke glücklich kurirt habe, die An
gaben über die Krankheit des Herrn Professor Oncken berichtigt und hierbei
mit bezug auf die von Laien ausgeübte Naturheilknnde die Ausdrücke