Volltext: Der Naturarzt 1886 (1886)

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mußten, vorgeschritten ist, also stets nur auf dem durch die Impfung zu 
gänglich geniachten Boden ihren nur zu wohlvorbereiteten Einzug ge 
halten hat; 
b) die Priorität der Erkrankung nahezu stets bei den Geimpften und Revacci- 
nirten (ja, bei Gepockten — zugleich eine ergötzliche Parodie auf den 
ganzen Kern der Jmpfhypothese!) ist. mithin nicht die Ungeimpften, sondern 
umgekehrt die Geimpften als Pockenfündenböcke herausgestellt sind; 
o) durch die pockenmindernde Wirkung, welche die Aufhebung der Lämmer- 
impfung mit sich gebracht hat, rückwärts der pockenvcrbreitende Einfluß 
der Vaccine — denn Schaf und Mensch stehen nach Virchow arznei 
wissenschaftlich einander gleich — ins Licht gestellt worden ist; und dem 
entsprechend überhaupt 
cl) die Seuche „trotz" (wegen!) der Impfung und mit der Ausbreitung des 
Schutzmittels (?) nicht ab-, sondern zugenommen hat! 
Unsere Wunderpriester ziehen nun freilich aus all diesen — zugestandenen 
— Thatsachen den umgekehrten Schluß und sagen: seht, das Übel ist mit dem 
Umgreifen des Schutzmittels schlimmer und schlimmer geworden, das Wunder 
mittel — h a t sich also bewährt, denn — die Seuche wird sofort ge- 
horsani verschwinden, sobald das kleine Restchen Ungeschützter auch noch ge 
segnet sein wird! Aber — so weit sollte man denn doch nicht gehen; diese 
Art, zu schließen und zu denken (oder nicht zu denken), ist doch gar zu 
zwerchfellerschütternd, dieser Sturz von der Höhe der Wissenschaft ist ja selbst 
mörderischer Bankerott. Und warum einen so effekthaschenden Krach?! Haben 
wir es doch mit einem Wunder zu thun; was aber ist denn „Wunder" 
anders, als ein etwas, das mit allen bekannten Grund- und Naturgesetzen tu 
unlösbarem Widersprüche steht und ewig unverständlich, ewig unbegreiflich, in 
sich selbst unmöglich bleibt; ein etwas, welches, sobald man es begriffe, sofort 
in nichts sich auflösen müßte. Muß man sonach nicht mit dem Ergebnisse, 
daß auch der Impfschutz wissenschaftlich unmöglich, naturgesetzlich ausgeschlossen, 
ja in sein Gegenteil verkehrt erscheint, aufs höchste zufrieden sein? Ist nicht 
gerade damit sein Charakter als „Wunder" aufs herrlichste gewahrt? 
Freilich — bei alledem wird sich auch dieses Wunder denn doch bald ab 
gewirtschaftet haben, es ist das nun einmal das Loos alles menschlichen 
Wunderwirkens. Aber — die Herren Tyrannen über Leben und Gesundheit 
können ruhig sein: an die Stelle des verflossenen „Wunders" wird ein neues 
treten. Denn so gewiß der Satz besteht: mundii8 vnlt decipi — so gewiß 
werden zu allen Zeiten solche sich finden, welche, voll des heiligen Eifers in 
frommem Betrüge, hinzufügen zu müssen glauben: — ergo decipiatur! 
Yeritas. 
Nachwort der Redaktion. 
Da in Österreich neuerdings die Debatten über Impfung und Impfzwang sich mehren 
und das Publikum daselbst von den Impfern vielfach ganz unverfroren auf Berlin 
resp. das deutsche Reich mit seinem herrlichen Jmpfsegen vulgo Impfzwang verwiesen 
wird, mit dem man Österreich auch bälder als bald beglücken sollte, so will ich dem Vor 
stehenden noch anfügen, was neuerdings eine medizinische Größe daselbst gegen diesen 
lediglich den Medizinern nutzbringenden I m p f z w a n g öffentlich zum besten ge 
geben hat! Dr. med. Lorinser, k. k. Sanitätsrat und Direktor des k. k. Spitals Wieden 
und des Pockenhauses in Wien sagt in der „Med. Wochenschrift" folgendes: 
„Da seit kurzem verschiedene Artikel bet. „Die Bekämpfung der Blattern in 
Wien" erschienen, in welcher, gestützt auf die angeblich glänzenden Resultate des 
Impfzwanges in Berlin, zur schleunigen Einführung des Impfzwanges 
auch in Österreich aufgefordert und an die Regierung die Frage gerichtet
	        
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