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Und nächstes Jahr soll in Leipzig die internationale K o ch k u n st a u s -
stellung abgehalten und dabei nicht bloß die bürgerliche und höhere (?)
Kochkunst bis zu der feinsten Hotel- und Hofküche mit allem Zubehör an
Maschinen und Werkzeugen, sondern auch die Masse ne rnährun g für das
Heer, für das Volk (die Armen-, Gefängnis-, Lazareth-, Schiffskost) vorgeführt
werden; die Ausstellung wird nicht allein fertige Speisen zum Anblick
bieten, sondern auch den Prozeß der Herstellung veranschaulichen!
Und soviel Lärm um nichts! Man denke an die menschliche Normal-
nahrung — O b st und Körner, Wasser; aber auch an Prometheus, der
das Feuer vom Himmel gestohlen und seine Strafe dafür! Sapienti satis est!
Zur Jllustration des Gartenlaube-Artikels
„Ubcr briefliche Buren".
V o in Herausgeber.
Krankheitsfall Nr. 4. Atzendorf, den 23. März 1886.
Wieder einmal erlaube ich mir, Sie in Anspruch zu nehmen wegen eines Patienten
meiner Gemeinde. Der Mann ist ein Schmiedemeister, 32 Jahr alt, zarten Körperbails,
der im vorigen Sommer infolge eines Falles am Knie erkrankte; es wurde geschnitten,,
eiterte, er kam nach Magdeburg ins Krankenhaus, ist dort über 4 Monate geblieben —
ohne Erfolg, jetzt ist er seit Monaten hier, gebraucht Homöopathie, aber die Geschichte
ist dieselbe. Den gegenwärtigen Krankheitsbefund schildert Ihnen mein Sohn, der jetzt
sein 3. Semester medizinischen Studiums hinter sich hat. Die Leute verlieren das Ver
trauen zur Homöopathie und bitten mich, bei Ihnen anzufragen, was Sie zu der Ge
schichte meinen? Mir scheint: vor allen Dingen Allgemeinkur; wenn Pat. auch noch im
ganzen sich wohl befindet und sein Magen in Ordnung ist, so bedarf er doch wohl einer
Erneuerung der Säfte. Und so lange diese Röhren in dem Fleische sitzen, scheint eine
Heilung unmöglich; doch das wissen Sie besser! Besten Gruß Ihr Pastor Z.
Status praesens des.Patienten Krause. Es ist durch den rechten Oberschenkel
etwa in der Mitte seiner Länge medianwärts vom Oberschenkelknochen eine Gummiröhre
gelegt, welche schräg abwärts und seitwärts verläuft und unten 2 dicht neben einander
liegende Mündungen besitzt. Das Loch muß unmittelbar am Knochen vorbeigehen, denn
schon früher ist ihm eine Scheibe vom Knochen losgetrennt, weil sie zerfressen war.
Außerdem liegt etwas über der Kniekehle und seitlich, aber nach innerhalb des von den
großen Sehnen begrenzten Raumes eine zweite Gummiröhre. Das Knie ist dick ge
schwollen und schmerzt stark bei jeder zufälligen und noch so kleinen Beugung, die Waden
muskeln sind fast gänzlich geschwunden und es ist wohl kaum anzunehmen, daß dies
allein die Folge einer fast ^jährigen Unthätigkeit sei, zumal dieselben Muskeln des
andern Beines bei weitem besser erhalten sind. Alle 2 Tage wird der Verband von der
Wunde abgenommen und die Wunde mit einer Karbollösung mittels Irrigators ausge
spritzt! Der Verband besteht aus einer Schicht Gaze, einem über die Stellen der Öffnungen
der Röhren gelegten Mooskissen und einer reichlichen Wolleschicht darüber. Außerdem
wird das Bein mit Binden an ein Gestell zum Geradehalten des Beines gebunden.
Leider wird der Eiter, der wie alter Harzkäse riecht, auch durch das Ausspritzen nicht
vollständig entfernt, sondern es bleibt noch eine ziemliche Menge Eiter zwischen Röhren
und Fleisch sitzen; in etwas läßt sich derselbe dann noch durch Drücken mit dem Finger
entfernen, aber im Innern wird wohl noch manches sitzen bleiben. Alle 8 Tage wird
ein Vollbad von etwa 25" R. 15—20 Min. lang genommen; der Kranke wird dabei
nicht srottirt, friert aber nicht; durch Ausspritzen mit dem Badewasser sucht man schon
die Wunde zu reinigen; die Röhren werden alle 2—3 Wochen vom hiesigen Arzt ent
fernt; das Herausziehen verursacht dem Kranken keine Schmerzen, aber nach dem Hin
einstecken (er behauptet, es würden dabei stets einige Stück Fleisch mit herausgerissen),
hat er stets das Wundfieber, allerdings nicht heftig; die Röhren sind schon so oft benutzt
worden, daß sie selbst nach gründlicher Reinigung beim neuen Hineinstecken noch stinken
sollen; ob das wohl förderlich ist?
UWO Meine Verordnung, sowie die eingelaufenen Berichte über das Kur
resultat folgen in nächster Nummer; man hat da einen eklatanten Fall von
chirurgischer Verhunzung eines einfachen Kniefalles, wie er im Leben
hundert mal ohne üble Folgen vorkommt!