Volltext: Der Naturarzt 1885 (1885)

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tzatte. ihre Blutzirkulation also noch lange keine geregelte war; mit bloß partiellen 
Hand- und Fußbädern und Unischlägen ist da nicht viel geholfen, wenigstens 
im Anfang nicht, wo cs einer kräftigen Ausgleichung und Regulirung bedarf. 
Ich mußte aber davon abstehen, denn meine obige Verordnung wurde von der 
geschwisterlichen Umgebung schon für eine starke Zumutung angesehen, weil sie 
eben in ihrer grassen amhropologischen und hygienischen Unwissenheit gar keine 
Idee davon hatte, daß eine längere Zeit dazu gehöre, als bloß 5 Wochen, 
rim die Folgen von mehr als 30jährigei? üblen Gewohnheiten und 
körperlichen Unterlassungssünden allmählich wieder gut zu machen. Hatte 
sie doch gar keine» Begriff davon, daß jedermann großenteils durch eine geeig 
nete Lebensweise sich vor Krankheiten schützen kann und daß es notwendig 
sei, das durch die bisherige Kur erziel,e so schöne Resultat jetzt auch durch 
eine gegen früher veränderte und konsequent, wo nicht lebenslänglich, doch 
vorerst ein paar Jahre lang, durchgeführte Lebensweise (wobei Hautpflege. 
Wasser- und Luftgenuß, tägliche Bewegung im Freien und einige ableitende 
und beruhigende Formen unseres Heilverfahrens neben passender Diät die 
Hauptfaktoren bilden) zu erhalten und noch zu verbessern und so die Patientin 
vor einem zweiten Schlaganfall und frühem Tode zu bewahren. 
Nun kommt der Unterschied zwischen damals und jetzt in bezug 
auf den Ausübenden des Naturheilverfahrens; ich hatte mich nämlich im Mai 
1863 von Teinach nach Stuttgart gewandt und einige Ze,t nach meiner Nieder 
lassung daselbst an den Herrn Direktor des k. Medizinal-Kollegiums mit der 
Bitte, mir nach Einsichtnahme des beigelegten eurrioulurn vitae nebst verschie 
denen Attesten gestatten zu wollen, nunmehr in Stuttgart Kranke ohne 
Medizin nach den Grundsätzen des sog. Naturheilverfahrens zu behandeln, 
worauf er mich nach einigen Tagen zu sich beschied und nach etlichen Fragen, 
mein 0. V. betreffend, mir erklärte, daß er mir schon die Erlaubnis zur 
hydrotherapeutischen Praxis für ganz Württemberg geben wolle, 
jedoch mit d e r Bedingung, daß ich vorläufig jede öffentliche Anzeige meiner 
'Thätigkett wie auch später etwaigen Dank und Anerkennung von Geheilten in 
öffentlichen Blättern streng unterlasse, da ich ihm dadurch seine weitere 
Protektion erschweren würde; auch nannte er mir einen jungen Allopathen, 
-an den ich mich wenden solle, wenn ja mir ein Pat. sterben sollte (was er 
mir nicht verdenken werde, da ja doch im Anfang nur „Unheilbare" sich 
an mich wenden würden rc.), — damit derselbe den Totenschein für mich 
ausstelle, wodurch ich jeder Unannehmlichkett sonst überhoben sein werde! 
Nachdem nun meine Schlagpatientin soweit hergestellt worden, daß sie 
ihrer früheren Beschäftigung wieder nachgehen konnte, setzte ich den ganzen 
Vorgang wahrheitsgemäß auf, ließ das Geschriebene von den Angehörigen und 
einigen anderen Personen, welche die Pat. persönlich kannten und meine Ve 
rhandlung von Anfang an beobachtet hatten, unterzeichnen und sandte es meinem 
inzwischen Staatsrat geivordenen hohen Gönner, Herrn v o n G e ß l e r, zu, 
uiit der Bitte um gefl. Einsichtnahme, worauf ich nach einiger Zelt die Auf 
forderung erhielt. ihn wieder zu besuchen, wobei er mir dann die vertrauliche 
Mitteilung machte: daß er sich nicht habe versagen können, meine Papiere 
seinem Nachfolger empfehlend zuqehen zu lassen mit der Weisung, dieselben 
in der nächsten Sitzung dem Kollegium vorzulegen, wobei es dann hitzig her 
gegangen sei, indem der Herr O.-M.-Rat Ur, Hahn die Wahrheit meiner 
Darstellung bestritten habe, was ich dem Herrn nicht so sehr verdenken 
dürfe, da er diese seine Blamage doch nicht so ganz ruhig auf sich sitzen lassen 
könne, obgleich es natürlich viel klüger gewesen wäre, den Vorgang offen ein-
	        
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