83
tzatte. ihre Blutzirkulation also noch lange keine geregelte war; mit bloß partiellen
Hand- und Fußbädern und Unischlägen ist da nicht viel geholfen, wenigstens
im Anfang nicht, wo cs einer kräftigen Ausgleichung und Regulirung bedarf.
Ich mußte aber davon abstehen, denn meine obige Verordnung wurde von der
geschwisterlichen Umgebung schon für eine starke Zumutung angesehen, weil sie
eben in ihrer grassen amhropologischen und hygienischen Unwissenheit gar keine
Idee davon hatte, daß eine längere Zeit dazu gehöre, als bloß 5 Wochen,
rim die Folgen von mehr als 30jährigei? üblen Gewohnheiten und
körperlichen Unterlassungssünden allmählich wieder gut zu machen. Hatte
sie doch gar keine» Begriff davon, daß jedermann großenteils durch eine geeig
nete Lebensweise sich vor Krankheiten schützen kann und daß es notwendig
sei, das durch die bisherige Kur erziel,e so schöne Resultat jetzt auch durch
eine gegen früher veränderte und konsequent, wo nicht lebenslänglich, doch
vorerst ein paar Jahre lang, durchgeführte Lebensweise (wobei Hautpflege.
Wasser- und Luftgenuß, tägliche Bewegung im Freien und einige ableitende
und beruhigende Formen unseres Heilverfahrens neben passender Diät die
Hauptfaktoren bilden) zu erhalten und noch zu verbessern und so die Patientin
vor einem zweiten Schlaganfall und frühem Tode zu bewahren.
Nun kommt der Unterschied zwischen damals und jetzt in bezug
auf den Ausübenden des Naturheilverfahrens; ich hatte mich nämlich im Mai
1863 von Teinach nach Stuttgart gewandt und einige Ze,t nach meiner Nieder
lassung daselbst an den Herrn Direktor des k. Medizinal-Kollegiums mit der
Bitte, mir nach Einsichtnahme des beigelegten eurrioulurn vitae nebst verschie
denen Attesten gestatten zu wollen, nunmehr in Stuttgart Kranke ohne
Medizin nach den Grundsätzen des sog. Naturheilverfahrens zu behandeln,
worauf er mich nach einigen Tagen zu sich beschied und nach etlichen Fragen,
mein 0. V. betreffend, mir erklärte, daß er mir schon die Erlaubnis zur
hydrotherapeutischen Praxis für ganz Württemberg geben wolle,
jedoch mit d e r Bedingung, daß ich vorläufig jede öffentliche Anzeige meiner
'Thätigkett wie auch später etwaigen Dank und Anerkennung von Geheilten in
öffentlichen Blättern streng unterlasse, da ich ihm dadurch seine weitere
Protektion erschweren würde; auch nannte er mir einen jungen Allopathen,
-an den ich mich wenden solle, wenn ja mir ein Pat. sterben sollte (was er
mir nicht verdenken werde, da ja doch im Anfang nur „Unheilbare" sich
an mich wenden würden rc.), — damit derselbe den Totenschein für mich
ausstelle, wodurch ich jeder Unannehmlichkett sonst überhoben sein werde!
Nachdem nun meine Schlagpatientin soweit hergestellt worden, daß sie
ihrer früheren Beschäftigung wieder nachgehen konnte, setzte ich den ganzen
Vorgang wahrheitsgemäß auf, ließ das Geschriebene von den Angehörigen und
einigen anderen Personen, welche die Pat. persönlich kannten und meine Ve
rhandlung von Anfang an beobachtet hatten, unterzeichnen und sandte es meinem
inzwischen Staatsrat geivordenen hohen Gönner, Herrn v o n G e ß l e r, zu,
uiit der Bitte um gefl. Einsichtnahme, worauf ich nach einiger Zelt die Auf
forderung erhielt. ihn wieder zu besuchen, wobei er mir dann die vertrauliche
Mitteilung machte: daß er sich nicht habe versagen können, meine Papiere
seinem Nachfolger empfehlend zuqehen zu lassen mit der Weisung, dieselben
in der nächsten Sitzung dem Kollegium vorzulegen, wobei es dann hitzig her
gegangen sei, indem der Herr O.-M.-Rat Ur, Hahn die Wahrheit meiner
Darstellung bestritten habe, was ich dem Herrn nicht so sehr verdenken
dürfe, da er diese seine Blamage doch nicht so ganz ruhig auf sich sitzen lassen
könne, obgleich es natürlich viel klüger gewesen wäre, den Vorgang offen ein-