Volltext: Der Naturarzt 1885 (1885)

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sowohl auf sich selbst als auf den Mann und das Familienleben darstellen und ihm 
die Wege zeigen, wie es diese Leistungen und Rechte, im Plane der Natur und 
in der Lebensform der Zivilisation verwirklichen und dabei sich selbst leiblich 
und sittlich gesund erhalten, dem Familienwohl die wahre Begründerin und 
der Generation eine würdige Mutter und Pflegerin werden könne; wie würden 
wir auf Verständnis rechnen dürfen in einem Leserkreis, dem man aus falscher 
Delikatesse die Einsicht in sich selbst und seine Bedeutung verbirgt oder mit ver 
blümten Reden fälscht; wie könnte das Weib sich als Gattin fühlen und be 
thätigen und seiner Würde eigene bewußte Trägerin sein, wenn es nicht einen un 
geschminkten Begriff gewönne von dem Weiblichen in der Natur, dem Leben der 
Gattung, dem es, so tief umsponnen und eng verwoben, angehört und von dem es den 
Namen „Gattin" so leicht und freudig annimmt und ohne Erröten, vielmehr mit 
Stolz zur Schau trägt. Aus dieser Naturstellung, so bannend und doch so heilig, 
entnahm auch die Kultur ihre Anschauungen, als sie das Weib auf seinen Platz in 
der zivilisirten Welt stellte und ihm Rechte zuwies, die einzig und allein auf 
seinen Pflichten beruhen, Pflichten, die in des Weibes Naturwesen allein ihre 
Bedeutung und ihr Verständnis finden! 
Im 2. Kapitel sagt Verf. -- Aus der Bedeutung des Weibes als Naturwesen geht 
seine natürliche, aber auch soziale Stellung zum Manne hervor: das Weib soll die Er 
gänzung des Mannes sein und die Weise und Lebensform, wie es diese ergänzende Natur 
bestimmung erfüllt, bezeichnet die jedesmalige Stellung desselben in dem Kultur - und 
S i t t e n z u st a n d e des Volkes und der Zeit, denen es angehört. Haben wir im ersten 
Kapitel die physische Natur des Weibes charakterisirt, so müssen wir jetzt die psychische 
Natur desselben zunächst kennzeichnen; erst durch die innere Ganzheit von Körper und Seele 
wird uns das Weib in seiner Külturstellung völlig verständlich. Das Weib ist nicht nur 
Naturwesen, sondern gleich dem Mann ein Glied in der moralischen Welt, eine Persön 
lichkeit und je nachdem diese Persönlichkeit unter den maßgebenden Lebensformen des reli 
giösen Kultus und dem mehr oder weniger entwickelten Zustande des öffentlichen Rechtes und 
der Gesittung zur Geltung und dem Manne gegenüber zur Anerkennung gelangt, tritt das 
Weib in demselben Grade in sein freieres und würdigeres Verhältnis zur Familie und damit 
zum Staate ein. Erkennen wir, vom Standpunkte des Christentums, im Weibe 
ein mit persönlichen Lebensrechten ausgestattetes, von Religion und Staat geschütztes, den: 
Manne gegenüber in seiner normalen weiblichen Sphäre ebenso wie jener in der seinigen be 
rechtigtes freies Wesen an. so hat es auch seine Stellung in der sozialen, sittlichen, geistigen 
und nationalen Welt zu behaupten; diese Stellung muß aber jedenfalls eine andere sein, 
als die des Mannes, denn nicht nur in der N a t u r b e st i m m u n g als Gattungs- 
wesen soll das Weib den Mann ergänzen, sondern auch in der sittlichen, geistigen 
und sozialen Welt! Völlig gleichartiges aber ergänzt sich nicht; es kann deshalb des 
Weibes Kulturleben in Familie und Staat nicht ein dem Manne völlig gleiches sein! 
Mann und Weib sollen ihrer natürlichen und moralischen Bestimmung nach Eins sein, eine 
Einheit, ein Ganzes bilden, einen Leib und eine Seele, und um diese Ein 
heit zu ermöglichen und darzustellen, stattete der Schöpfer beide besonders und sich ergänzend 
an Leib und Seele aus und legte in jeden den Trieb der gegenseitigen Anziehung und das 
Bedürfnis nach Vereinigung und gab dem Charakter eines jeden besondere Grund 
bestimmungen, Fähigkeiten und Richtungen. Je unedler der Zustand zwischen Mann und 
Weib ist, desto mehr äußert sich nun das Naturleben, die leibliche Anziehung und Er 
gänzung als organischer Trieb und das Weib erscheint dem Manne nur als Organ, 
das, wo es nicht dem Gattungsleben dient, ein willenloses Werkzeug anderer Dienstleistungen 
ist, also das Weib nur Sklavin der männlichen Natur und Häuslichkeit bleibt. Je edler, 
mithin kultivirter aber der Zustand von Mann und Weib ist, desto mehr tritt das letztere aus 
der reinen Natursphäre heraus in die moralische Welt des Familienlebens, es ergänzt den 
Mann nicht mehr als Organ und Dienerin seines Willens, sondern als Charakter, als berech 
tigter Teil der Familie, die Anziehung beider zu einander ist nicht mehr das Bedürfnis, sondern 
die Liebe und deren thatsächliche normale Verwirklichung : die Eh e. Für diese Stellung 
des Weibes zum Manne in der sozialen und moralischen Welt ist auch der norumle weibliche 
Grundcharakter im Seelenleben angelegt. Wie der Mann das Recht ^s .Hauses ver 
tritt, so das Weib als Gattin die Sitte; wie sich im Manne die Kraft, der Geist und Wille 
ausspricht, so im Weibe das Gemüt und die durch das feine Gefühl veredelte Natur, 
das Schickliche, der Mann herrscht in der Familie, das Weib regiert sie. Das Weib
	        
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