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Zahl derjenigen in Nordamerika, welche an der Tuberkulose zu gründe gehen, ist eine sehr be
trächtliche ! Desgleichen in den: klinmtisch wohlsituirten England; es bringt der Tuberkulose
sehr b e d e u t e n d e O p f e r bei aller Neigung seiner Bewohner zu körperlicher Übung, bei
aller Bethätigung dieser Übung; alle die körperlichen Anstrengungen sind nicht imstande,
der unmäßigen Zufuhr von Nahrungsmitteln die Wage zu halten. Kehren wir nach
Deutschland zurück; hier ist es uns vorbehalten, unsere Lehre glänzend bewahrheitet zu
sehen, denn hier ist es die S t a t i st i k, die f ü r uns spricht! Sie erzählt uns, daß die nieder
rheinische Niederung in Deutschland am schwersten unter der Tuberkulose zu leiden hat und daß
die Lande an der Küste der Ostsee in bezug auf dieses Leiden am glücklichsten davonkommen;
wir wissen aber auch, welcher gewaltige Unterschied in dem Wohlstände, in der Beschäftigung
und in der Art, sich zu nähren zlvischen den beiden Gebieten vorhanden ist; am Rhein dürfen
sich die Menschen gestatten, den Körper gut zu pflegen, was man so nennt, und sie machen
gerne Gebrauch davon, an der Ostsee sind die Menschen gezwungen, mit dem, was sie sich
mühsam erwerben, recht haushälterisch umzugehen. Die Statistik zeigt uns den Unterschied
zwischen Stadt und Land, wie er in der Sterblichkeit an der Tuberkulose besteht; sie gliedert
dabei sogar die Männer und die Frauen in besondere Gruppen; es kommt dabei heraus, daß
die Städter weit öfter an der Tuberkulose leiden, als die Dörfler, daß die Frauen
ür den Städten und den Dörfern möglichst gleich oft von derselben zu dulden haben, daß
aber der Unterschied zwischen den Männern in den Städten und beit Männern in den Dörfern
ein sehr großer ist und zwar eben zu Ungun st en der männlichen Bevölkerung der
Städte. Beschäftigung und Lebensweise der Männer in der Stadt und derjenigen in den
Dörfern weichen gar gewaltig von einander ab; der Städter führt sehr oft eine sitzende Lebens
weise ohne jegliche körperliche Anstrengung, er liegt lange, schläft lange und ißt viel Fleisch
und trinkt viel Bier; der Bewohner des Dorfes muß früh vom Lager und kommt spät zur
Ruhe, er kämpft gewöhnlich den ganzen Tag hindurch aus Leibeskräften mit der Arbeit, Fleisch
und Bier sind ihm zu kostspielige Sachen, als daß er sie sich oft gestatten dürfte!
Ferner heißt es: Mit der Höhe, in den Bergen, soll die Tuberkulose abnehmen;
wir sind überzeugt, daß es so sein muß, denn je höher die Menschen wohnen, desto ärmer
sind sie, unter desto schwerern körperlichen Anstrengungen, bei desto k a r g e r n Mahlzeiten fristen
sie ihr Dasein; je tiefer hinab die Menschen wohnen, desto mehr nehmen sie an Wohl
stand zu, ein desto bequemeres Leben vermögen sie sich zu gestalten, desto besser
können sie essen und trinken! I m ü b r i g e n spielt die Höhe, die man bewohnt,
keine Rolle, sondern es kommt immer nur darauf an, wieviel dem Blute an Säften
zugeführt wird und wieviel davon zu verbrauchen der Körper imstande ist! D e n n d i e
Tuberkulose entsteht nur aus ungehörigen Stoffen im Blute,
w e l ch e d u r ch e i n e ü b e r m ä ß i g e Z u f u h r v o n M i t t e l n, die d e r E r n ä h r u n g
dienen sollen und durch ungenügenden Verbrauch des Zugeführten
erzeugt werden!
Um die übrigen Merkmale der Tuberkulose zu deuten, bringt Verf. eine eigene Defini
tion der Begriffe „Fieber" und „Entzündung" ; ersteres schreibt er lediglich einer
bedeutenden Störung im Blutkreislauf zu; das Herz sei bestrebt, seine Schuldigkeit zuthun,
durch alle Adern Blut zu treiben, das Hemmnis widerstehe dieser natürlicher: Thätigkeit des
Herzens; die Massen des Blutes drücken sich und reiben sich, wo Druck und Reibung statt
findet, entwickelt sich allemal Wärme; die gesunde Wärme des Blutes werde daher ge -
steigert und erleide eine ungesunde Erhöhung, auf diese Weise entstehe die übermäßige
Entwickelung von Wärme im Körper. Die Entzündung werde eingeleitet durch eine
Störung im Umlaufe des Blutes, hervorgerufen im allgemeinen durch 'derbere Massen
im Blute und Verengungen der kleinsten Adern, meistens infolge von schroffen Über
gängen von der Wärme zur Kälte; sobald im Kreislauf des Blutes an irgend einer Stelle
eine Unterbrechung eingetreten ist, wird hierdurch das Herz zur vermehrten Thätigkeit heraus
gefordert, das Hemmnis zu überwinden; da das Herz bei bedeutender Stockung nicht ohne
weiteres zu thun vermag, so häuft sich an der betroffenen Stelle immer mehr Blut an, je
thätiger das Herz ist; je mehr Blut an einer Stelle angehäuft wird, desto mehr werden die
Adern gezwungen, sich auszudehnen, daher Schwellung, Röte und Schmerz infolge von Druck
der Massen auf die Nerven.
Zum Schluß wendet Verf. sich noch an Dr. Koch, den Entdecker der TuLerkelbazillen,
welcher in seiner „Ätiologie der Tuberkulose" die Behauptung aufgestellt, daß „die Tuberkel
bazillen die e i n z i g e N r s a ch e der Tuberkulose seien", während er andererseits genöthigt
sei, zu sagen, daß diese Pilze einen Boden brauchen, auf dem sie zu wachsen vermögen,
ja daß ihr Dasein ohne diesen Boden unmöglich sei; damit habe nun Dr. K o ch
seine Lehre selber zu nichte gemacht, denn wenn ein Pilz einen Boden zu seinem Fort
kommen brauche, so könne er wi ch t die e i n z i g e U r s a ch e der Tuberkulose sein! Nun
komme ich zu meinem Schlüsse: