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gestraft; wie ferner aus Nr. 7 zu ersehen, wurde ich infolge einer 2. Klage des Dr. Bcehmer
auf meine Mitteilung in Nr. 12 v. 1881 mit 30 Mark gestraft und in Nr. 12 ist angegeben,
daß derselbe eine 3. Klage gegen mich angestrengt wegen meinen Bemerkungen zu der in
Nr. 2 veröffentlichten Verurteilung auf die 1. Klage, worauf ich vom Schöffengericht zu 100
Mark verurteilt wurde, wogegen meine deshalb eingeleitete Berufung ans Landgericht zu
Dresden von demselben leider abschlägig beurteilt worden ist! Sie ersehen daraus, wie
sehr die Herren Mediziner gegenüber einem Nichtapprobirten — den Schluß können Sie selbst
ziehen, denn meine so exorbitante Verurteilung auf die 3. Klage ist mir heute noch ein
Rätsel, da ich in dem fraglichen Artikel nur die Gründe mitgeteilt habe,
welche das Schöffengericht zu seinem Urteil bei der 1. Klage veranlaßten und weiter nichts
gegen § 193 Verstoßendes hinzufügte, der doch auf einen Mediziner ebenfalls an
wendbar sein muß!
Und nun überlegen Sie sich es noch einmal, welches Damoklesschwert Sie da mit
dem Sammelbassin negativer medizinischer Leistungen über meinem
Schädeldach aufhängen wollen! Oder haben Sie Lust, mir ein paar tausend Mark zu einem
desfallsigen Kriegs- resp. Straffonds zu spendiren, da die Kasse des „N.-A." dafür nicht aus
reicht ? Die Herren Doktoren sind ja nach Goethe (So haben wir in diesen Thälern re.
Faust) durch ihre Approbation gefeit bez. ihres Thun und Treibens unb das ver.
Publikum erstirbt meist noch immer aus Hochachtung vor ihrem immensen Wissen in aller
Demut, wenn gleich ihr Können am Krankenbett mitunter kein exzellentes ist!
Oder können Sie sich eine demütigere Traueranzeige denken, als die nachstehende aus
Dresdner Blättern abgedruckte, vom 20. November, welche lautete:
Dank, herzlichen Dank
den lieben Freunden und Verwandten hier und in weiter Ferne für ihre aufrichtige
Teilnahme an dem uns betroffenen furchtbaren Geschick. Von sieben Kindern schon
drei auf dem Friedhofe und zwei andere im Carola hause an der Diphtheritis
darniederliegend und mit dem Tode ringend — vermag sich jemand ein här
teres Loos vorzustellen? Wir flehen zu Gott, der schon des Vaters Liebling zu sich
gerufen, dass er uns wenigstens die beiden anderen schwer leidenden Kinder e r -
halten möge, zugleich aber auch, dass er all' die lieben Freunde und Verwandten,
welche so herzlichen Anteil an unserem Geschick nahmen, gnädiglich vor so furcht
barer Trübsal immerdar behüten wolle!
Und die Anzeige vom gleichen Hause am 21. November lautete:
Gottes Wege sind unerforsdrllcli!
Heute Vormittag 11 Uhr starb im Carolahause, wo es Genesung finden sollte,
trotz sorgfältigster Pflege und trotz der Operation, unser her
ziges, innigstgeliebtes Töchterchen Leoni im Alter von 2 3 / 4 Jahren , ebenfalls wie
ihr am Montag verstorbenes Brüderchen Erich ein Opfer der unheimlichen
Diphtheritis. Namenlos ist unser Schmerz, tiefbekümmert unsere Seele.
Und diese Familie wollen Sie veranlassen, ihren Hausarzt und den ärztlichen Direktor
des Carolahauses beim Reichskanzleramt in Berlin als Pfuscher (4 Kinder gestorben!) zu
denunziren, welche nicht den leisesten Zweifel an der Richtigkeit der ärzt
lichen Behandlung hegt? Ich glaube daher besser daran zu thun, wenn ich wie bisher
die Ausbreitung des Naturheilverfahrens und was drum und dran hängt im Auge behalte
und nur so nebenbei ein Schlaglicht auf die Leistungen der Staatsheilkunde werfe; dann kann
Jeder nach Maßgabe seiner Erkenntnis machen, was er will! —
- Ab. Dr. H. in Ch. Sie schreiben: Gestern habe ich die letzte Nr. des „N.-A." gelesen
und darin das Finale der Krankengeschichte des Mainzer Herrn gefunden, der im Kauton
krankenhause zu St. Gallen gestorben ist. Ich war damals auch auf der Waid und habe den
armen Mann gleich vorn ersten Tag an als einen Unrettbaren betrachtet, nachdem mir
Freund Dock erzählte, daß der St. Gallener Augenspezialist — eine retinitis albarninur. diagnosti-
zirt hatte, weil dieses Augenleiden in den allermeisten Fällen erst in den späteren
Stadien von morbus Brightii erscheint, wo bereits eine Schrumpfung der Nieren
eingetreten ist. Einen unheimlichen Eindruck bat es damals auf mich gemacht, daß Pat. auf
Fragen nach seinem Befinden immer antwortete: sonst ganz gut, nur m i t d e n A u g e n
geht e s schlecht und an seine Heilung f e l s e n f e st glaubte! Dr. Dock gab mir
einmal seinen Harn zur mikroskopischen Untersuchung, deren Resultat unsere absolut un
günstige Prognose bestätigte! Der auf der Waid eingetretene S ch l a g a n f a l l kam uns
deshalb durchaus nicht überraschend und wir beide waren über den baldigen tätlichen
Aus gang vollständig klar! Nur einige Kurgäste, fanatische Vegetarier und Wasserfanatiker,
die da meinten, „die Natur vermöge Alles", bildeten sich ein, der Patient könne sich wieder