Volltext: Der Naturarzt 1885 (1885)

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Solche Homöopathen möchte ich nicht auf dem Gebiete der Natnrheilkunde 
experimentiren sehen; aber wenn diese Leute räsonniren: „Ohne Medikamente 
könnt Ihr nicht auskommen, die Homöopathie ist die wahre göttliche Natur 
heilkunde", so kann man logisch verlangen, daß sie das Einfache (natürliche 
Faktoren) doch erst probirt haben sollten, zumal man es theoretisch und praktisch 
begründen kann, ehe sie das Komplizirte (Arzeneien), was noch dazu unbe- 
gründbar ist, anwenden. Ein umgekehrter Schluß ist nicht zulässig; denn die 
Naturheilkunde ist die ältere, wenn auch zeitweilig lange vergessene Heilmethode 
und das Einfache ist die Vorstufe des Komplizirten, das Einfache aber auch 
das Endziel allen Fortschrittes. 
Wenn ich in unsren Blättern über Homöopathie urteilte, so geschah es in 
ganz andrer Weise, als ich es vor einem andren Publikum thue. Hier bin ich 
Feind der Homöopathie, dort Freund der Homöopathen und wenn die Herren, 
die sich so viel um meine Person gekümmert haben, nicht im Glaubenseifer 
blind gewesen wären, hätten sie leicht erfahren können, daß ich der Homöopathie 
mehr Recht widerfahren lasse, als nur irgend ein Nichthomöopath thun kann. 
Ich verwerfe die Anwendung von Arzneimitteln in allopathischer wie homöo 
pathischer Form, wenn man aber Arzneimittel anwenden will oder sie mangels 
der Kenntnis naturgemäßer Behandlungsweise anwenden muß, so darf man 
sie nur homöopathisch anwenden. Wie klein sind die veranlassenden Ursachen 
z. B. bei ansteckenden Krankheiten, wie Venerie; wenngleich sie auch gewaltige 
Wirkungen im Organismus hervorbringen, die Ursache bleibt klein, winzig klein 
und die Bekämpfung der kleinen Ursache mit gewaltigen Arzneimengen ist wie 
ein Kampf gegen Mücken mit Kanonen Daß die homöopathischen Mittel so 
mit besser helfen werden als die allopathischen, ist sicher, da ihre Wirkung aber 
nicht logisch begründet werden kann, verwirft sie die Naturheilkunde, die, da die 
veranlassenden Ursachen meist so winzige sind und die dispvnirenden Ursachen dem 
forschenden Auge auch zugänglich werden, dieselben auch durch ehre Faktoren 
leicht ausmerzen kann. 
Es thut mir offen gesagt leid, daß meine Worte soviel Schmutz aufgewirbelt 
haben (für den Kulturhistvriker mag es ja interessant sein, die übertünchte 
Höflichkeit in unsern gelehrten Kreisen einmal ihrer Tünche entkleidet gesehen 
zu haben), aber wich trifft keine Schuld; denn wenn wir nicht einmal in unsern 
Blättern für uns so wichtige Themata frei besprechen können, wo sollen wir 
es denn thun? Die Redaktion ist somit auch keineswegs verpflichtet, ihren Raum 
unsachlichen Entgegnungen, die den guten Ruf des Blattes nur schädigen 
können, einzuräumen. 
Nachwort der Redaktion. 
Vor Kurzem erhielt ich von einem Freunde eine diskrete Mitteilung mit folgendem ohnehin 
interessanten Passus, welcher aber auch den Beweis liefert, daß man das Wasserheilverfahren 
immerhin mit Homöopathie verbinden kann und sollte, tvenn man es bei 
Diphtherie nicht mit so untrüglichem Erfolge anzuwenden versteht, ivie Dr. 
Novy in Radegund, Dr. Wachsmuth und Herr Dr. L ah mann selbst (s. Nr. l0). 
Derselbe schreibt: - 
„Dr. W. hat seit Kurzem schwere Diphtherie in seiner Familie; das bei ihm lebende 
Kind seines Bruders, ein schwächliches, schlecht genährtes Geschöpf mit schlecht gepflegter Haut 
ist glücklich durchgekommen; seit einigen Tagen leidet nun aber auch sein eigenes 8',jähriges 
Mädchen an b ö s a r t i g st e r Rachen- und Nascndiphtheric; das Kind ist nicht g e i m P f t, 
ist vegetarisch erzogen und stets nach den Regeln der naturgemäßen Lebensweise be 
handelt und seine Haut aufs Beste gepflegt worden; es ivohnt auf dem Lande so 
gesund, wie man es nur immer wünschen kann, hatte immer ein kräftiges blühendes Aus 
sehen und — wurde trotz alledem von seiner Cousine angesteckt! Dr. W., der früher meine 
Ansicht immer bekämpfte, giebt mir jetzt zu, daß : wenn die betr. pathogenen S P a i t p i l z e
	        
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