Volltext: Der Naturarzt 1885 (1885)

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Natürlich erfordert diese einen gewissen Grad von Energie, die jedoch 
größtenteils darin besteht, eine gewisse Zeit den Genüssen des Lebens l e b e w o h l 
zu sagen. Doch das Bewußtsein, sicher gesund zu werden, da mau den Erfolg 
bei den andern Leidensgefährten immer vor Augen hat, giebt reichlich Trost. 
Meist genügen dazu, selbst bei Schwererkrankten, 5 bis 6 Wochen. Zum 
Schlüsse will ich noch einiges Interessante aus meiner eigenen Kur zum Besten 
geben. 
Nachdem ich dieselbe 3 Wochen gebraucht, bekam ich von der fast aus 
schließlichen Kost von älterer Semmel und Wein, Diarrhöe, welche erst mit 
dem Momente aufhörte, als ich den ersten gewässerten Wein in der Pause 
zu mir nahm. Ein Zeichen, daß die zur Verdauung gelangenden schlechten 
Säfte des Körpers diese erzeugten. 
Mein Normalgewicht war immer 65 1 / 2 Kilo. 
Beim Beginn der Kur . . . 62 1 / 2 „ 
Nach Beendigung der Kur . . 53 1 / z „ 
3 Wochen nachher 68 ^ „ 
Gewöhnlich giebt es nur einfache Dursttage. Doch da ich die Kur am 
strengsten von allen damals Anwesenden gehalten, außer diesen noch 7 Doppel- 
dursttage d. h. 60 Stunden keinen Tropfen Flüssigkeit und an Nah 
rung habe ich 4 bis 10 ältere Semmeln zu mir genommen. 
Der Genuß des ersten Glases Glühwein (heißer Wein mit etwas Zucker.) 
ist aber dann auch unbeschreiblich. In den nächtlichen Einpackungen hielt 
ich bis zu 11 Stunden aus. Diese bestehen in kalten vollkommen ausgewun 
denen nassen Leintüchern, welche jedoch alsbald warm werden und man in 
feuchter Wärme, später in Schweiß, die Zeit zum Teile schlafend verbringt. 
Sonst darf der Körper nicht mit kaltem Wasser in Berührung kommen, da 
die Poren der Haut und die Drüsen begierig das Wasser aufsaugen würden. 
Die großen Trinktage entschädigen reichlich die Strapazen der anderen. Man 
gewinnt alsbald seine Kraft und seinen Humor wieder. 
Wenn ein Fremder zu den an Sonntagen und Donnerstagen stattfindenden 
Konzerten und Tanzunterhaltnngen kommt, findet er dasselbe Bild, wie in 
andern Luxusbädern bei derlei Gelegenheiten, nur sind die Kurgäste hier heiterer, 
wenn auch zumeist magerer. Die Erinnerung an die verlebten Tage in Linde 
wiese werde ich nicht vergessen, denn die Folge der Entbehrungen sind wieder 
Genüsse, von denen man unter normalen Verhältnissen keine Ahnung hat. 
Insbesondere die Pause mit ihrem ersten Frühstück, ersten Glas Bier und 
ersten Dampfbad (?) bietet wahrhaft lukullische Genüsse. Derjenige, welcher 
die Kur noch nie mitgemacht, kann diese schwerlich zu Hause durchführen. 
Ich aber trete mit demselben Momente wieder in die Kur, als sich ein ernstes 
Unwohlsein irgend welcher Art zeigen würde und bin überzeugt, zumeist in 
wenigen Tagen und ohne jede Medizin komplett zu gesunden. 
Nachschrift der Redaktion. 
Unterm 23. Mai a. o. erhielt ich nachstehendes Schreiben: 
„Über Aufforderung Ihres Abonnenten 2t'.., meines Oheims, erlaube ich mir Sie brieflich 
um einen Rat einzuholen. Ich erkrankte nämlich Anfang dieses Jahres an Syphilis und 
habe vor 8 Tagen eine 2monatliche Quecksilberkur durchgemacht; kaum einige Tage als ge 
heilt entlassen, stellten sich am Halse wieder Schleimpapeln ein; die H a l s- und Schenkel- 
d r ü s e n sind überhaupt noch nicht besonders zurückgegangen. Ich bin schwächlicher Konstitution, 
27 Jahre alt und möchte Sie um Rat ftagen, was ich thun soll? Man ratet mir von 
einer Seite das I o d b a d Hall an und von der andern Seite eventuell die L i n d e w i e s e- 
Kur; ich möchte jedoch keinen weiteren Schritt thun, bevor ich nicht Ihre Ansicht darüber 
vernommen und bitte mir dieselbe, recht bald bekannt geben zu wollen. N. N."
	        
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