Volltext: Der Naturarzt 1882 (1882)

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betreffenden Interessenten als erlaubt in Anspruch genommen und befürwortet 
wird, eine Quantität von 20—40 Gramin auf 1 Hektoliter Wein oder Bier 
Zugesetzt wird, so ist in jedem Liter 0.2—0,4 Gramm resp. der fünfzigste bis 
fünfundzwanzigste Teil jener Quantität von 10 Gramm enthalten, welche die 
Fakultät von Bordeaux als scharf giftig wirkend bezeichnet hat. Sollte 
das ohne gesundheitsschädlichen Einfluß und sollte es ferner 
ohne Bedenken sein, wie das die medizinische Fakultät von Bordeaux 
befürwortet, es in die Hand jedes Interessenten zu geben, seinen 
Getränken so viel zuzusetzen, als der Geschmack noch nicht 
zu unterscheiden vermag? Sicherlich nicht! Der Geschmack ist 
verschieden und die menschliche Organisation auch. Was der Eine schon 
deutlich durch den Geschmack wahrnimmt, entgeht einem Andern noch gänzlich, 
was eine starke Organisation verträgt, daran kann eine schwache schon zu 
-Grunde gehen! — 
Vor einigen Jahren erfuhr ich aus ganz authentischer Quelle, daß dem 
Weine einer großen Dampfschiffahrtsgesellschaft pro Stückfaß also p. x. auf 
1200 Liter ein Liter Salicylsäure — 1 Kilo oder pro Liter 0,85 
Gramm zugesetzt wurden. Es geschah dies, um den Flaschenwein, welcher 
früher nach 10—14tägigem Transport auf den Schiffen, weil durch die Er 
schütterung trübe geworden, umgetauscht werden mußte, durch den Zusatz von 
Salicylsäure dauernd klar zu erhalten, was auch gelang. Ich 
habe damals viele, sonst weingewöhnte, Herren gesprochen, welche nach dem 
Genusse einer Flasche dieses Weines eine merkliche und eigentümliche Schwäche 
in den Knieen und vermehrten Herzschlag empfanden. Ich habe 
Grund zu vermuten, daß die betreffende Gesellschaft später auf die Hälfte 
jenes Zusatzes von Salicylsäure heruntergegangen ist. Nichtsdestoweniger 
möchte es einleuchten, daß nunmehr immer noch der Genuß von 2 Flaschen 
ähnliche Wirkungen hervorbringen dürfte, wie früher Eine Flasche. Bedenkt 
man aber ferner, daß man in die Lage kommen kann , bei einem modernen 
Diner oder Souper neben 1 oder 2 Flaschen solchen salichlbehandelten Weines 
noch verschiedene mit Salicyl behandelte Gemüse, Kompote und mit 
derselben Säure bestrichene Fleisch- und Fischsorten zu genießen, so kann der 
nachteilige Einfluß auf die Gesundheit wohl auch momentan deutlich 
hervortreten. 
Die Frage: „ist Salicylsäure auch in kleiner, aber überhaupt auf die 
Speisen, den Wein rc. noch wirksamer Quantität für die menschliche Gesund 
heit schädlich?" muß also unbedingt bejaht werden. 
In Frankreich hat man sich (wie wir aus dem Artikel des „Chemikers" 
erfahren, zum großen Kummer vieler Interessenten) entschlossen, 
ein absolutes Verbot der Salicylsäureverwendung für 
Lebensmittel zu erlassen. Ich halte dies Verfahren für richtig. insofern 
man den Mut und die Konsequenz hat, Zuwiderhandlungen so 
energisch zu bestrafen, daß eine abschreckende Wirkung 
eintritt. Hat man diesen Mut nicht, und gestattet man in Folge dessen 
wieder nach dem Vorschlage der Fakultät von Bordeaux den Gebrauch der 
Salicylsäure bis zu einer gesetzlich festzusetzenden Maximal-Quantität pro Kilo 
Speise oder Getränk, so werden eine Menge von Prozessen und eine große 
Unsicherheit von Handel und Wandel die Folge sein. Denn, wie leicht können 
Irrtümer in der Quantität der zuzusetzenden Salicylsäure stattfinden, und 
wie schwer wird es sein, nicht nur „Irrtum" von „Absicht" dabei zu 
unterscheiden, sondern selbst die wirklich vorhandene Qualität Salicylsäure
	        
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