Volltext: Der Naturarzt 1882 (1882)

72 
wohnlich bin ich nach der „Turnstunde" sehr ermüdet, mein rechter Arm — 
dessen Muskeln die Diener Äskulaps ihrem Gotte geopfert — schmerzt mich 
oft sehr empfindlich und dauerts eine gute Weile, bis, ich wieder fähig bin, zu 
malen. Unser „Naturmahl" schmeckt uns dann wieder trefflich. (Ich habe 
noch nie solche Lust und solches Wohlbehagen bei und nach dem Essen eni- 
pfunden, als jetzt, trotzdem ich sehr „feine" Küchen su. a. mehre Monate 
hindurch „hochfürstliche") kennen gelernt.) 
Die Bekleidung meines Jungen, welche bis zum Spätherbst nur aus 
den feinen Härchen seiner eigenen Haut bestand, ist während des Winters 
etwas dichter geworden durch einen leichten Trikot-Anzug (in einem Stück), 
wollene Strümpfe und dünne Filzschuhe. „Für den Aufenthalt im Freien 
kommt darüber noch ein leichter Wollen-Überzieher mit Kapuze. Ich habe 
das Fenster meines Schlafzimmers (Südseite) ausbrechen und einen Balkon 
vor dasselbe machen lassen. Hier bringt er täglich die Mittagsstunden zu, 
selbst bei Regen, da durch Blechdach und Jute-Vorhang Schutz vor dem 
selben geboten ist. 
Für größere Spaziergänge (Tagesausflüge) habe ich eine Kraxe (Kietze) 
konstruirt und aus spanischem Rohre anfertigen lassen. Dieselbe ist sehr leicht, 
sitzt sehr fest auf den Schultern und legt sich derart an den Rücken, daß selbst 
bei heftiger Bewegung des kleinen Insassen ein Wackeln nicht möglich ist. Sie 
gestattet diesem, wie dem Träger, die beiden Hände frei zu gebrauchen. An 
Land- und Bergpartien, welche auch einem so jungen Stadtmenschen wohlthun, 
kann ich durch dieses praktische Möbel stets auch meinen „Einjährigen" teil 
nehmen lassen. 
Unser Proviant ist leicht mitzunehmen (Äpfel, Feigen u. dergl., sowie feines 
und grobes Schrotmehl). 
Die Lust und das Wohlbehagen des Kleinen ist nicht zu beschreiben; es 
würde mich freuen, wenn durch diese Mitteilung viele Eltern veranlaßt würden, 
für ihre Kleinen solche Tragkörbe fertigen zu lassen. Sie sind in vieler 
Beziehung den Kinderwagen vorzuziehen, indem sie luftiger und weniger dem 
Staub ausgesetzt sind. Mein Kleiner hat schon während eines Spazierganges 
sehr gut darin geschlafen, er legte dabei Kopf und Arme auf meinen Kopf. 
Der einzige Übelstand bei demselben ist, daß man hier und da über den Rücken 
warm „getauft" wird. 
Stets schlafen wir bei offenem Fenster, oft auch ganz im Freien. Auf 
dem Balkon habe ich ein Hängebett (mit schmalen Gurten bespannter Eisen 
rahmen) anbringen lassen, welches in Rollen leicht auf- und niedergelassen 
werden kann. Hier finde ich ein erquickendes Luftbad, welches besonders meinem 
gemarterten Kopfe sehr wohl thut. Ein Vorhang schützt uns vor Regen und 
— der Belästigung dummer Menschen. 
Sein eigener Arzt, sein eigener Priester, sein eigener Beherrscher 
zu sein , ist das Recht und die Pflicht eines jeden selbstbewußten Menschen. 
Leider giebt es deren noch immer sehr wenige, desto mehr Aberglauben, 
Krankheit, Not, Lieblosigkeit, Haß, Mord, Krieg. Elend aller Art — !!! 
Vom Himmel kommt kein Erlöser, nur durch „S e l b st e r k e n n t n i s" tvird 
die Menschheit „erlöst". 
Da aber die jetzige Generation geistig und leiblich entnervt ist — gleich 
dem „Volk Mosis" durch die Knechtschaft und die Fleischtöpfe Egyp 
tens —, so kann nur durch die kommende das „gelobte Land", der Zu-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.