Volltext: Der Naturarzt 1882 (1882)

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Luft, in jedem Wasser, in der Erde, ans der Oberfläche aller Körper, in unsern 
Nahrungsmitteln, sowie auch in Mund und Darm jedes Menschen und Tieres, 
bewirkt indes nur Fäulnis toten Materials und übt auch nicht den geringsten 
nachteiligen Einfluß auf Lebendes aus. Wirklich krankmachende 
Spaltpilze sind aber durchaus nicht allgegenwärtig. Ja 
neuere Untersuchungen haben sogar dargethan, daß sich ihre Anwesenheit oft 
auf ein ganz kleines Terrain beschränkt. So zeigte sich u. A. bei den Explo 
rationen der Luit, des Bodens und des Wassers, welche die Professoren Klebs 
And Tommasi-Crudeli in der Umgegend von Rom vornahmen, der das 
Wcchselficber hervorrufende Laoillus malariae nur in gewissen. oft scharf be 
grenzten Distrikten und niemals höher in der Luft als 3—4 Meter vom Erd 
boden. Auch schwankt der Gehalt der Luft an solchen Mikroorganismen je 
nach der Jahreszeit und stellt sich zu ein und derselben Zeit am gleichen Orte 
sehr verschieden dar. Büchner fand z. B.. baß — während in einem Arbeits 
raume des Münchner pflanzenphysiologischen Instituts 10 Bakterien im Liter 
Luft zugegen waren — im Freien zuweilen in zwei Liter Luft 
auch nicht ein einziger solcher Spaltpilz existirte. 
Ferner gehört ins Reich der Phantasie die Annahme: die Bakterien wür 
den „in den verschiedenen Krankheiten und deren verschiedenen Stadien ver 
schiedenartigen Modifikationen unterworfen"; sie basirt auf der Na ege ti 
schen Hypothese, welche unschuldige Schizomyzcten sich unter besonderen Um 
ständen in krankmachende und diese wieder in unschuldige verwandeln läßt und 
nichts weiter ist, als eine wissenschaftliche Schrulle, die man dem verdienst 
vollen aber hochbetagten Botaniker wohl verzeihen darf. Irgend einen stich 
haltigen Beweis dafür hat weder er noch einer seiner Anhänger erbringen 
können. Dagegen wurde durch unzählige Experimente unwiderleglich festgestellt, 
daß ein bestimmter Spaltpilz unter den verschieden st en 
Lebensbedingungen immer ein und derselbe bleibt und 
stets ein und dieselbe Krankheit verursacht. 
Man niag, um nur ein Beispiel anzurühren, den mehrerwähnten Bacillus 
.anthracis in Harn, oder Hefenwasser, oder Fleischextraktlösung, oder Rinds- 
bouillon, oder Humor aqueus, oder Heuinsus, oder Erbsenstrohabkochung, 
oder zerquetschtem Weizen, oder aufgekochter Kanoffel in einer einzigen Kultur 
oder in einer mehre Monate fortgesetzten Kullurreihe unter den verschiedensten 
Temperaturen züchten, an Mäuse, oder Meerschweinchen, oder Igel, oder Ka 
ninchen, oder Ziegen, oder Schafe, oder Rinder oder Pferde verimpfen — 
immer und ewig wird er seine charakteristische Släbchenform beibehalten und 
nichts Anderes als Milzbrand Hervorrufen, auch vom Momente der Inoku 
lation an bis zum Tode des Versuchstieres nicht die allerkleinste Modifikation 
.erleiden. 
Wem daran gelegen, sich gerade über diesen Punkl völlige Klarheit zu ver 
schaffen und sich zu überzeugen, wie wenig das vom „allen Ketzer" entworfene 
Zerrbild der Bakterlentheorie mit dem gegenwärtigen Stande dieser Lehre har- 
monrrt, dem empfehle ich dringend das eingehendste Studium der vor kurzem 
erschienenen „Mitteilungen aus demKaiserlichenGesundheits- 
amte" (Berlin 1881). Da diesem epochemachenden Werke 84 durch Licht 
druck rcproduzirte Bakierien-Pholographien beigegeben sind, so bietet sich auch 
Demjenigen, der nicht selbst mykologiiche Untersuchungen anstellen kann, die 
Möglichkeit, eine richtige Anschauung von den verschiedenen Formen der Spalt 
pilze und von ihrem Eindringen in die Lymph- und Blutbahnen, Gewebe und 
Organe des menschlichen und tierischen Körpers zu gewinnen.
	        
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