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Die eigentliche Behandlung der Blutarmut sei Sache des Arztes, doch bespricht
er kurz die Diät und sagt, daß das verlorene Blut sich nicht in wenigen Tagen
oder Wochen ersetzen lasse, daher sei Geduld von Nöten und wolle man nicht
glauben, daß man durch massenhafte Zufuhr konzentrirter, an leicht verdaulichen
Nahrungsstoffen reicher Speisen und Getränke rasch zum Ziele gelangen könne;
das Dutzend Eier und die vielen kleinen Beefsteaks pro Tag, sowie die reich
lichen schweren Weine seien verkehrt. Diese Dinge werden nicht im geraden
Verhältnis zu ihrer Einfuhr verdaut, weil eben der Magen anämischer, empfind
licher und weniger leistungsfähig ist als der vom Gesunden. Jedes Übermaß
bewirkt Magen- und Darmkatarrh und stört dadurch die Blutbildung, auf deren Be
förderung es bei Behandlung der Anämie in erster Linie ankommt. Drei bis
vier Eier den Tag mögen ebenso genügen, wie zwei mäßige Beefsteaks ■— wenn
denn überhaupt diese auf die Dauer den meisten Kranken unerträglichen Speisen
verwendet werden sollen.
Eine aus dem Tier- und Pflanzenreiche genommene gemischte Nah
rung, am besten eine gute Hausmannskost, einfach und kräftig zubereitet, sind
vielen solchen Kranken weit mehr erwünscht und nützlicher, als raffinirte Kraft
brühen. Tritt dazu der Genuß einer guten, erquickenden Luft und eine den
Kräften angepaßte Bewegung im Freien, ferner eine einfache naturgemäße
Lebensweise, vor Allem guter Schlaf, so werden die meisten, d. h. die nicht
auf tiefer Konstitutionsstörung beruhenden Formen von Blutmangel selbst ohne
den Gebrauch des Eisens, dieses vielfach mißbrauchten, die Verdauung
häufig störenden und Wallungen erregenden Mittels, zu einem glücklichen Aus
gange geführt werden.
Wie man aus vorstehendem ersieht, hat der Herr Professor sein Thema
recht hübsch bearbeitet, denn daß er noch gemischte Kost empfiehlt, dürfen
wir ihm nicht übel nehmen, er hat es eben noch nicht bis zur Erkenntnis seines
Kollegen Hofrat Hhrtl in Wien gebracht; doch Eins muß ich rügen: er
hat in seinem wissenschaftlichen Vortrag die Erfüllung einer ebenso notwendigen
Gesundheitsbedingung wie das Atemholen und Bewegung in frischer Luft, näm
lich täglicher Hautpflege, mittels Waschungen und Bädern, ganz unberührt
gelassen, während er doch weiß, daß durch selbige 4 / 5 aller Blmschlacken aus dem
Körper entfernt, die abnormen Erregungen des Nervensystems am besten korri-
girt und der Stoffwechsel überhaupt beherrscht werden kann.
18. Dr. Richalds Gesundheitspflege derjenigen Berufsarten, welche
vorwiegend mit geistiger Arbeit beschäftigt sind oder eine sitzende Lebensweise
führen. Autorisirte deutsche Ausgabe von: D^ieue des professions liberales.
Freie, auf Grund der 4. Auflage vorgenommene und durch mannigfache Zusätze
erweiterte Übersetzung von Dr. med. H. Goullon. gr. 8. 208 S. Cöthen,
Schettlers Verlag. Preis M. 2.40.
Inhaltsverzeichnis: Kap. 1. Das Gehirn und die, die Gchirnthätigkeit be
stimmenden Einflüsse; Anatomie, Physiologie, Psychologie, Pathologie, Geisteskrankheit, Hy
pochondrie. Kap. 2. Von den individuellen Verschiedenheiten, Temperamenten. Kap. 3. Die
durch geistige Berufsthätigkeit erzeugten Krankheitsanlagen. Kap. 4. Von den hauptsäch
lichsten hygieinischen Hilfsmitteln, Luft, Haut, Zähne, Bäder, Mineralwasser, gesunde
Motion, Schlaf, gegen Fettleibigkeit, Kleidung. Kap. 5. Verdaulichkeit der Nahrungsmittel.
Kap. 6. Von der Nahrhaftigkeit oder dem Nährwert unserer Speisen. Kap. 7. Von den
Getränken. Kap. 8. Einfluß des' Tabaks auf Leben und Gesundheit. Kap. 9. Hygieine
der Augen und des Sehens. Kap. 10. Gesundheitsregeln für gesunde und kranke Tage
nach A. von Fellenberg Ziegler.
Der Übersetzer sagt im Vorwort, daß er dem deutschen Leserpublikum ein
Werk übergebe, das im Lande seiner Entstehung die ausgedehnteste Verbreitung