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zuhalten, unter welchen der Stoffwechsel in gesunden Tagen vor sich zu
gehen pflegt, sondern dieser ganze Prozeß der Verbrennung, auf dem unser
Stoffwechsel beruht, nunmehr rascher vor sich geht und je rascher es ge
schieht, desto verderblicher dieser Prozeß für den Organismus wird. Daher
kann man wohl nicht annehme», daß eine weise Einrichtung der Natur das
Fieber als eine besondere H c i l v o r r i ch t u n g im Körper vorgesehen haben
sollte, durch welche vor Entdeckung der Wasserbehandlung sich selbst über
lassen oder bei medizinischer Behandlung circa 20—30 Prozent mehr Menschen
daran jährlich gestorben sind, als gegenwärtig!
Daraus kann sich nun aber jeder die Lehre ziehen: daß er durch einegc-
regelte und richtige Lebensweise in gesunden Tagen ein starkes
Nervensystem sich zu verschaffen hot, welches nicht so leicht eine Schlappe be
kommt, wodurch Fieber entsteht, d. h. daß sein Organismus eine zufällige
schädliche Einwirkung leichter überwindet und nicht gleich der Regulator
seines Stoffwechsels schwach wird, vom Bocke herabfällt und nun seine
chcmischeu Rosse durchgehen, erst im Trab. dann im Galopp rc. Also fort
mit dem Heilwahn des Fiebers, welcher namentlich auch bei Auslegung der
S ch r o t h'schcn Heilmethode stark spuckt, wo nach jedem Sauftag ein prächtiges
Fieberchen auftritt, d. h. eine alkoholische Schwächung des Ner
vensystems entsteht, welcher dann sofort spekulativcrweise der Charakter
eines Heilfaktors zugeschrieben wird! Purer Schwindel!
Warum ich Vegetarier geworden bin?
Eine Leidensgeschichte von Fr. Steckelberg in Hannover.
Seit der Geburt war ich mit einem Doppelfehler — Phimosis* und Hypo-
spadiasie — behaftet, welcher zu Harnverhaltung führte, deretwegen drei Ärzte kon-
sultirt wurden, von denen aber keiner durch eine geringfügige Operation die
Ursache beseitigte. So entstanden daraus noch andere organische Selben:, in
deren Folge ich bis heute nur wenige Tage zu verzeichnen habe, an denen ich
ohne Schmerzen meinen Verrichtungen nachgehen konnte. Schon als Knabe
mußte ich, der fürchterlichsten Kopfschmerzen halber, gar häufig die Schule
während der Unterrichtsstunden verlassen und das Bett aussuchen. Vom 14.
bis zum 20. Jahre litt ich verhältnismäßig weniger, welches nach meinem
Dafürhalten seinen Grund darin haben dürfte, daß ich der Schule entwachsen
war und fast immer nach Bedürfnis uriniren konnte. Während der Schuljahre
war das nur zu oft unterblieben, indem ich, der oben erwähnten Fehler wegen,
häufig noch mcht einmal damit beginnen konnte, wenn die Kameraden längst
fertig waren; im günstigsten Falle nur einige Tropfen los geworden war, und
zwar unter heftigen Schmerzen im Unterleibe. So ging ich denn wieder ins
Schnlzimmer zurück, den Angstschweiß auf der Stirn und die Schmerzen nieder
drückend, wartend, bis die Unterrichtsstunden beendet waren, um von Neuem
mit der alten Qual zu beginnen.
Wie ich schon erwähnt, änderte sich die Lage, als ich konfirmirt war und
den Eltern beim Ackerbau Hilfe leistete. Ich brauchte, teils der Zeit, teils
falscher Scham halber, mich nicht Stunden und halbe Tage lang mit dem Zw
* küiin08i8 — der Zustand, wo die Vorhaut nicht über die Eichel zurückgeschoben werden
kann ; Hypospadiasie == Bildungsfehler der Harnröhre, wobei diese ihre Öffnung nicht an
der Spitze der Eichel, sondern an der Wurzel des Gliedes hat.