Volltext: Der Naturarzt 1882 (1882)

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Was lag nun hier vor, da die Brüste mit den Armmuskeln doch nichts zu 
schaffen habeu, sie nur auf den beiden Brustmuskelu, getrennt durch Zellen- 
gewebe und Fett, aufliegen, welche allerdings einige Armbewegungen durch ihre 
Thätigkeit vermitteln? Offenbar eine abnorme Überstrahlung von den Bewe 
gungsnerven auf die Empfindungsnerven durch eine Schwächung des ganzen 
Nervensystemes infolge der längeren Krankenpflege rc. Wie der gelehrte haus- 
ärztliche Medizinalrat sich den Vorgang erklärte, konnten mir beide Damen 
nicht sagen, da er hierüber sich nicht auszusprechen beliebte, sondern nur immer 
was neues — verschrieb! Ich machte darauf den Vorschlag, daß Patientin 
ans ca. zwei Monate nach Dresden hereinkomme, dann wolle ich nach bestem 
Wissen einen Versuch machen, diesen gestörten Gesundheitszustand wieder in den 
normalen überzuführen — durch eine milde Wasserbehandlung, andere Ernäh 
rungsweise als bisher nebst Zuhilfenahme einiger mir passend dünkender heil 
gymnastischer Bewegungsformen, vor welchen aber Patientin eine große Scheu 
an den Tag legte, so daß ich ihr gleich eine kurze Explikation der Theorie bcr 
Heilgymnastik geben mußte, um die günstige Wirkung derselben auf den mensch 
lichen Körper begreiflich zu machen (im Jahrgang 1877, Nr. 9 und 10 aus 
führliche Abhandlung darüber). Einige Wochen vergingen und ich dachte schon, 
daß diese interessante Patientin die Courage zur Kur nicht gewonnen, da er 
schien sie eines Vormittags (gegen Ende August) doch bei mir mit der Meldung, 
sie habe sich jetzt bei Verwandten eingemietet und wolle nun in den sauren 
Apfel beißen, d. h. sich auf ein paar Monate in meine Behandlung begeben. 
Dieselbe bestand in einer täglichen feuchten Ganzpackung bis zur guten Er 
wärmung mit darauffolgendem temper, Halbbad, später mit kühler Regenbrause, 
auch auf die Brüste, Vermeidung von Kaffee, Fleisch, Bier rc. und einigen 
passiven nnd duplizirten heilgymnastischen Bewegungen, feuchtkalten Brustkom 
pressen und Waschungen mehrmals am Tage und dauerte 6 Wochen, dann 
entließ ich Pat. wesentlich gebessert in ihre Heimat, von der sie mir einige 
Wochen später (4. Nov.) folgenden Bericht zugehen ließ: 
Hierdurch melde ich Ihnen mit größtem Danke von dem guten Erfolg der 
Gymnastik und Wasserbehandlung: ich bin w i e d e r i m st a n d e, i m Ge 
schäft, sowie im Häuslichen mich in etwas wenigem nützlich zu machen, 
kann auch auf ganz kurze Zeit den Flügel wieder spielen, was mich 
sehr beglückt. Bäder, sowie Diät und tägliche zweimalige Bewegung im Freien 
und nachts offenes Fenster setze nach Verordnung fort und hoffe mit Gottes Hilfe 
in einiger Zeit von noch größerem Fortschritt in der Besserung berichten zu können. 
Am 5. Dezember schrieb sie wieder : 
Besten Dank für die Ermunterung zur Enthaltsamkeit (nämlich vom öfteren 
Essen als 3 Mahlzeiten bei einem Erwachsenen). Soviel es sich thun läßt, 
komme ich Ihren Vorschriften nach, gehe vor Tische eine Stunde ins Freie und 
nehme wöchentlich einige Bäder. Ich kann Ihnen mit Freuden den Fort 
schritt der Besserung mitteilen und bekenne nochmals dankbar den Vor 
teil der Heilgymnastik für mich. Es ist mir wieder möglich mit kurzen 
Unterbrechungen leichte Arbeit zu verrichten, fahre dabei mit kalten Wasserum 
schlägen fort und erneuere dieselben mehrmals des Tages, da die Röte sich nur 
langsam vermindert. Es ist wohl zu erwarten, daß ich noch längere Zeit dannt zu 
bringen werde, lebe aber der frohen Zuversicht, endlich von diesem unangenehmen 
Übel befreit zu werden, nachdem mir der Weg des Heiles gezeigt worden ist. 
Es läßt sich nicht sagen, welches Glück es für mich ist, daß ich jetzt vor Weih 
nachten im Geschäft wieder einige Hilfe leisten kann! 
Unterm 20. Dez, bei Übersendung eines kleinen Weihnachtsgeschenkes folgendes:
	        
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