Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

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matismus acutus einige Mäßigung empfiehlt. Dieselbe durfte vielleicht mit der Zeit 
ein ähnliches Schicksal haben, wie das Elaylclilorür, dem selbst Wunderlich 's Empfehlung 
kein langes Leben verschaffen konnte. Wir erlauben uns, den Fanatikern der materia 
medica in dieser Beziehung das Referat von Gouz 6 e anzuführen, welcher (Gaz. des 
hopitaux 1853. 90.) die Krankheit rein exspectativ behandelte Ilnd jährlich 6 r st a u n l i ch e 
Belege über die L e i ck) t i g k e i t intb S ch n e lligkeit des n a t ü r l i ch e n V e r - 
laufs einer Krankheit beibrachte, deren Behandlung Anderen so viel Mühe machte. 
Daß unter solchen Umständen der einzelne Fall (pag. 38), der überraschend schnell sich 
zum Bessern wandte, nichts für d i e z u f ä l l i g vor h er angeordnete M e di 
en t i o n beweisen kann, bürste jedem Unbefangenen einleuchten. 
pag. 88 spricht sich der Verfasser entschieden für die Impfung aus, i in Gegensatz 
z u d e n sonstigen h o m o o p a t h i sch e n Leh r e n. Wir haben die Verdammung 
der Impfung von Seiten der Homöopathie nie recht verstehen können ; wir haben ja hier 
nicht nur die praktische Anwendung des Aehnlichkeitsgesetzes, sondern auch die Lehre, daß 
eine an Quantität und Qualität viel schwächere Einwirkung eine stärkere neutralisirt. Der 
Verfasser ist offenbar hier viel consequenter, als seine Gesinnungsgenossen. 
pag. 124 heißt es : Ist aber das Gesammtnervensystem schon in einer gewissen Tiefe gestört, 
dann ist zu seiner Wiederherstellung durchaus nicht mehr blos der specifische Arzneireiz hin 
reichend, sondern abgesehen von den allgemeinen Lebenseinflüsscn, Luft, Nahrung, Arbeit, 
Ruhe — hauptsächlich die Zeit. — Einverstanden , aber das i st ja aber m a l s 
die pure N a t u r h e i l m e t h o d e! 
Wenn diese Grundsätze, sowie die pag. 37, 38, 39 ausgesprochenen in der Praxis auf- 
richtig und consequent durchgeführt werden, wie viel bleibt dann noch für die Arznei 
mittellehre (homöopathische und allopathische) übrig ? Zu diesem Rest würden wir dann allen 
falls auch noch einige Decilliontheile in den Kauf nehmen, da man ja doch etwas haben 
muß, um das wunder- und arzneisüchtige Publikum zu befriedigen, denn: 
„Da s Wunder ist des Glaubens lieb st e s K i n d ". 
Nach 133 werden „die hohen Verdünnungen selbst bei tubereuloser Meningitis (Hirn 
hautentzündung) selten ohne Wirkung gereicht; Besserung und scheinbare Sistiruug werden 
selten vermißt, aber hierbei bleibt es, und die Krankheit nimmt ihren gewöhnlichen schlim 
men Ausgang". (In der That übe r r a s ch e n d e W i r k u n g e n der Hochpoten - 
z e n ! R.) 
„Daß aber auch tuberculose Basilarmeningitis durch die Homöopathie geheilt werden 
kann, dafür soll ein Beispiel von beträchtlicher Beweiskraft sprechen, denn — „die 
Diagnose konnte durch die S e c t i o n b e st ä t i g t werden!" (Wer 
lacht da? R.) 
Aus des Verfassers Krankengeschichten über Lungenentzündung ist ein besonderer Vor 
theil der homöopathischen Behandlung über Dietl's exspectative (arzneilose) Behandlung 
nicht ersichtlich. 163. In Beziehung auf Brustfellentzündung legt Verfasser selbst auf die 
homöopathische Behandlung kein großes Gewicht. 170. „Wenn ein Constitutionsmittel im 
rechten Augenblick, wo der Körper sich genau in den dem Mittel entsprechenden Bahnen 
bewegt, gereicht wird, so richtet es das aus, was es wirken kann."' Das ist etwas schwer 
zu verstehen; es wird wohl so zu nehmen sein, wie Einer einmal von der Salicylsäure 
rühmte, daß sie dann am sichersten wirke, wenn die Defervcseenz (Abnahme der Fieberhitze) 
bevorstehe. D. h. also auf gut Deutsch: Die Mittel wirken daun am besten. wenn die 
natürliche Wendung zum Bessern ohne d i e s. eingetreten wäre!! Höchst merkwürdig! 
Was die Verwendung der homöopathischen Mittel in der Chirurgie betrifft, so glauben 
wir, daß die Letztere, welche sich zur innern Medi in verhält wie Mathematik zur Philo 
sophie, oder wie Astronomie und Astrologie, nicht nöthig hat, bei der Materia medica 
betteln zu gehen. 
„Daß bei Verfasser den Nachweis geliefert habe, daß die homöopathische Methode den 
anderweitigen medicamentösen Beh .ndlungs weisen oder dem exspeetakiveu (arzueilosen) Ver 
söhnn überlegen sei, kann er nicht einmal als seine eigene VlnsickN aussprechen, 
geschweige beim als die, welche sich der Leser gebildet, erwarten, jedenfalls aber sei die 
homöopathische Behandlung den übrigen wenn sie in tato und cito nicht zurückstehe, d o ch 
i m jucunde überlege n." 
Ganz sicher, und nur sind mit dem Kritiker im würtemberger Staatsanzeiger (Beil. 8, 
28. Apr.) oollständig darin einverstanden, daß, wenn wir vorkommend n Falls zwischen 
einem Homöopathen und einem Fanatiker der materia medica ztt wählen hätte'.!, mir ent 
schieden dem erstem den Vorzug gäben. (Primum est, non nocere ! Das erste ist, nicht zu 
schaden!) 
Schließlich können wir nicht umhin, dem Herrn Verfasser unsre volle Anerkenn ttng aus 
zusprechen über die Aufrichtigkett und Offenheit, welche in seinem ganzen Buck) zu Lage
	        
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