Volltext: Der Naturarzt 1879 (1879)

88 
wesentlichen Einfluß auf den Gesundheitszustand ausüben. Der ethische und 
ästhetische Standpunkt des Vegetarianismus bleibt hierdurch unverrückt, d. h. 
ein richtiger. Das zutreffendste Urtheil über die vegetarianische Hauptfrage, 
scheint mir das eines älteren Vegetarianers, Herrn F. A. in M. bei Wien, 
zu sein, welcher in der Diskussion hierüber erklärte: 
„Ja, es ist etwas d'ran". 
Nachdem nun der Wechsel in der Diät bei mir, und mehren Andern, 
so wohlthätig angeschlagen hat, so frage ich ferner zum Schluß: warum soll 
denn der Vegetarianer immer und immer in derselben nüchternen, kühlen, 
säuerlichen Stimmung, welche die Vegetabildiät mit der Zeit mit sich bringt, 
verbleiben? Alles wechselt, Alles steigt und fällt in der Welt; so ist's ein 
mal Naturgesetz! Jegliches Einerlei ist langweilig, sogar nachtheilig für den 
Menschen. Selbst H u f e l a n d , der berühmte Diätetiker, empfiehlt es, die beste 
Ordnung hie und da zu unterbrechen. Ich frage also, warum soll es dem 
Vegetarianer, oder doch dem Menschen im Vegetarianer, nicht gestattet sein, 
aus der alltäglichen kühlen Stimmung heraus zu treten; sich ab und zu einmal, 
oder wenn es der Wärmemangel erheischt, täglich, durch ein Glas Wein zu 
erwärmen und zu erheitern? 
Es ist ja nicht nur Bestimmung, sondern geradezu ein Vorzug des 
Menschen, daß er für vielfältige Verhältnisse geschaffen ist, in allen Klimaten 
aushalten kann, wie kein Thier; ebenso soll er sich vielfältige Nahrung und 
Trank verschaffen, wodurch seine allgemeine Entwickelung nur gewinnen kann. 
Just das Einerlei in der Nahrung hält auf tiefer Stufe zurück, ist thierischer 
Natur; es heißt die menschliche Natur total verkennen, wenn, von 
einigen Ultravegetarianern als höchste Weisheit proklanürt worden ist, der 
Mensch solle nur Brod und Obst, wie z. B. das Pferd ewig nur Heu und 
Hafer, verzehren. 0 sanotn simpllaitas! Kinder, welche nach den puritani 
schen Grundsätzen einiger Vegetarianer, gewöhnlich nur Schrotbrod erhalten, 
greifen gierig und im Uebermaß nach Weißbrod, wenn sie solches gelegentlich 
erwischen. 
Die Moral dieser längeren Betrachtung besteht nun darin: Der Vege 
tarianismus im engeren Sinn, oder die Vegetabildiät in ihren ver 
schiedenen Formen, hat als Durchgangsstadium, oder für unsere 
Uebergangsgeneration periodenweise angewandt, große Vorzüge. 
Eine arge Einseitigkeit und unglückliche Verirrung aber ist es, blos durch 
Restriktion der Diät resp. Vegetabildiät, oder durch die passive Heilmethode 
allen Krankheiten vorbeugen und gar heilen zu wollen, und deshalb die aktive 
Naturheilmethode zu vernachlässigen. 
Nachschrift von G. Wolbold. 
Es ist mir von mehren Seiten eine verschiedene Beurtheilung vorstehenden Artikels 
jetzt schon zugekommen, die ich hier zu Nutz und Frommen Aller gleich zusammen be 
sprechen will, ohne erst noch weitere Zuschriften abzuwarten, nämlich: 
a) Einige meinen, ich hätte den Artikel gar nicht aufnehmen sollen, weil er dem 
Vegetarianismus einen argen Stoß geben und viele Neulinge und Schwache zum 
Abfall veranlassen dürfte, obwohl sie mir gerne zutrauen, daß ich mir es wohl 
überlegt haben werde und dadurch nur die Wahrheit und die Erkenntniß überhaupt 
habe fördern wollen, auch nicht zweifeln, daß ich es an einem kräftigen Nachwort 
nicht fehlen lassen werde, indessen — soinpsr aliquid haeret! (d. h. immer bleibt 
etwas Schmutz hängen!) 
d) Andere wieder schreiben: Sie haben wohl daran gethan, den Rikli'sckien Artikel 
nicht zurückzuweisen, denn dadurch wird nun Andern erwünschte Gelegenheit gegeben, 
auch ihre Erfahrungen mit dem Vegetarianismus mitzutheilen, wodurch die gute
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.