Volltext: Der Naturarzt 1879 (1879)

gegcnzuarbeiten, welche sich die gegenwärtig unter dem Schutze der Gewerbc- 
freiheit frei schaltende Sippe der sog. Naturärzte zu Schulden kommen läßt! 
Worin diese unsere Ausschreitungen und Fehlgriffe nun aber bestehen, sind 
wir begierig zu erfahren! 
Zur Erinnerung nn Pros. vr. mvä. D. J. Germann. 
Von Theodor Kahn, 
(Schluß.) 
Aus einem Briefe vom 18. December 1875. 
„Werter Freund und College! In Eile nur ein Wort auf Ihren lieben Brief vdoi 
14. December. Er zeigt mir, dass wir in der That in Lebensgang und Lebensanschau 
ung vielfach ganz denselben Weg gingen. — — Schön ist’s aber doch, auf dem Berge 
zu wohnen , da weiter als Andere ausschauen zu können, das Herz an der Sonne über 
den Wolken und den Kopf im Himmelsäther frisch zu erhalten. Aus solchen Verhält 
nissen, glaube ich, entsteht der Beruf und mit ihm die Pflicht und — die F r e u d i g - 
k e i t. Möge letztere Ihnen auch ferner erhalten bleiben, allen Hindernissen zum Trotz, 
und wo ich Ihnen beistehen und zur Seite sein kann, werde ich es von Herzen gern 
thun. Was unser Werk anbetrifft, so müssen wir wohl erst abwarten, was sie in 
Berlin thun werden. Sonderbarer Weise ist, seitdem ich dort war und die Petition 
vertheilt wurde, Alles über die Impfung still geworden, die doch schon zweimal auf 
der Tagesordnung stand. Ob man im Stillen darüber Nachforschungen anstellt? Fast 
möchte ich glauben, dass die Sache den leitenden Kreisen als eine Verlegenheit 
erscheint. Keichensperger deutete ein Verhängniss an, welches über der Welt waltete, 
und auch über uns — er kann Beeht haben!“ 
Aus einem Briefe vom 11. December 1875: 
„Nach sechstägigem mühevollem Aufenthalte in Berlin — zum fünften Male jetzt 
war ich dort — bin ich Dienstag Nacht zurückgekehrt, ohne bis jetzt eine Minute er 
übrigen zu können zur Beantwortung Ihres letzten Briefes, den ich so gerne möglichst 
ausführlich beantworten möchte. Ich fühle Alles was Sie mir da berichten, auf das 
Theilnehmendste nach, und mit Schmerz. Denn Sie haben Schreckliches zu leiden gehabt 
und es zeugt von der grossen Kraft, die in Ihnen wohnt, dass Sie Sieger blieben. Aus 
eigenster Erfahrung fühle ich mit Ihnen, denn ich habe dasselbe, in und ausser 
dem Hause, fast so lange ich lebe, durchkämpfen und — tragen müssen und viel, viele 
mal war ich dem Untergang auf Haarbreite nahe. Dasselbe Pflichtgefühl aber, was 
Ihre Stütze war, war auch die meine , und so wurde mir Kraft, Muth und Hoffnung 
immer auf's Neue zurückgegeben. Ihr Herr Sohn war gestern bei mir*) und wird 
hoffentlich öfter kommen. Auch mag er Ihnen dann Das schreiben, wozu im Augenblick 
faktisch mir Zeit und Kraft fehlt. Es liegt zu viel auf mir und meine Kräfte wanken be 
reits abermals. Kommerzienrath Zimmer m ann schrieb mir. Die neulich von Ihnen 
erbetenen Prospekte habe ich jetzt erhalten und werde sie möglichst verbreiten. Wenn 
es kein Unrecht ist, mehr zu versprechen , als ich — wenigstens im Augenblick — zu 
halten vermag, so wird es mir nur eine Freude und Ehre sein, wenn Sie mich zum 
Mitarbeiter Ihres „Hausarzt“ annehmen. Für die nächsten Monate allerdings ist es 
fraglich, ob ich nicht zum „Liegen“ komme, und wenn nicht, ob ich „literarisch“ ar 
beiten kann oder darf; denn die Brodpraxis muss doch zunächst aufrecht erhalten werden 
und bei dieser schon ist mir gar oft Schwindel, und bei Operationen und Geburtshilfe 
auch schon wiederholt Ohnmacht angekommen. Vergangenes Jahr fiel ich einmal in 
einer Ohnmacht in’s Wasser, ein ander Mai an einen Steinhaufen. Dies nur zur Auf 
klärung und Entschuldigung, wenn ich augenblicklich, zumal bei den hier fort und fort 
erfolgenden Angriffen, nicht sogleich thatkräftig Beiträge liefere.“ 
Schweres und schwerstes Ergriffensein von einer ganzen Reihe von Krankheits 
zuständen hatte unsern Leidenden sodann für 5 Sommermonate in die Berge 
*) Wie ich schon im Wintersemester 1874/75 meinen Bademeister Liebau nach München 
geschickt hatte, so machte ich es im Wintersemester 1875/76 mit meinem Sohne Ludwig, 
den ich nach Leipzig schickte. Die beiden mir hier in meiner Aufgabe zur Seite stehenden 
Männer sollten persönlich und aus eigenster Ueberzeugung bis ans den Grund den ganzen 
Mist und Blödsinn kennen lernen, den die heutigen Medizinprofessoren den Medizin- 
studirenden als das Non plus ultra aller medizinischen Weisheit, oder wie Eduard 
B a l tz e r ihn zu nennen beliebte: als „gründliche Studie n" vordoeiren. Th. H.
	        
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