Volltext: Der Naturarzt 1878 (1878)

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Verschiedenes. 
Patzt der Vegetarianismus für Jung oder Alt'? 
Von Gustav Woköokd. 
Ich muß gar oft in meiner ärztlichen Praxis, wenn ich Jemand auf 
einige Zeit den Fleisch ge nuß in seinem Interesse zu untersagen mich 
genöthigt sehe, die ganz alberne Bemerkung entgegennehmen: „Gehen Sie mir 
doch, bester Doctor, mit Ihrem Fleischverbot, ich bin ja so schon ganz schwach, 
woher soll ich denn meine verlorenen Kräfte wieder bekonimen, wenn Sie mir 
nun noch Bouillon und Braten verbieten? Jungen Leuten mögen Sie immer 
hin das Fleisch entziehen, daß sie nicht zu übermüthig werden, aber Erwachsenen, 
vollends Personen, die über das 50. Jahr hinüber sind, ist eine solide Fleisch- 
nahrung — absolutes Bedürfniß!" — So, woher wissen Sie denn das so 
genau, Sie weiser I. Sirach II, haben Sie vielleicht schon die Gegenprobe 
gemacht? — Darauf citire ich solchen Fleischfanatikern ein Artikelchen aus 
jüngster Zeit, das ein schlesisches Blatt seinen Lesern brachte, es lautete: 
Hirsch Gnttman, Rabbiner der Stadt Pletz, starb 108 Jahre alt; in 
seinem <50. Jahre, wo er sich noch gesund und lebenskräftig befand, legte er sich die 
Butze auf, fortan keinerlei Fleisch oder Fleischspeisen mehr zu essen; mehr als einmal, 
besonders in den letzte» Jahren, wo die zunehmende Abnahme seiner Kräfte nach Aus 
sage der Aerzte eine stärkende Fleischnahrung zur unabweisbaren Nothwendigkeit 
für ihn machte, trat von Seiten seiner zärtlich besorgten Umgebung die Bitte an ihn heran, 
sein Gelübde endlich zu brechen — er aber blieb demselben standhaft treu!!! 
Als vor 10 Jahren Kaiser Wilhelm zum Besuche des Fürsten in Plctz war, wünschte 
Gnttman sehnlichst beim Kaiser vorgelassen zu werde», um ihn zu segnen, was ihm auch 
gnädigst bewilligt wurde! Also die 48 letzten Lebensjahre ganz ohne Fleisch!! 
Hinters Ohr zu schreiben! Ob er mit Fleischkost ebenso alt geworden wäre oder noch 
älter? Kann oder will das Jemand behaupten? 
Und Pythagoras, der klassische Vegetarianer par excellence, war 102 
Jahre alt, als er — erschlagen wurde! Hätte sein Leben sonst wohl 
noch einige Jahre höher gebracht! Und G. v. Strube, über dessen Tod 
in seinen 60ger Jahren sich Viele wunderten, starb an der Operation einer 
Balggeschwulst, nicht aus Mangel an Kraft in Folge seiner fleischlosen 
Nahrung!! — 
Und was den Vegetarianern nicht passiren kann, davon das nächste 
Mal ein lehrreiches Exempel! 
Etwas für Tabak-Raucher! 
In Paris cxistirt eine „Anti-Rauchgescllschast", welche in der 
jüngsten Zeit drei Preise ausgeschrieben hat, nämlich: die erste Prämie soll 
ein Lehrer bekommen, der am wirksamsten seine Schüler vom Rauchen abhält; 
die zweite Prämie ist für den Statistiker bestimmt, welcher am über 
zeugendsten nachweist, daß die Arbeitskraft eines Nichtrauchers eine 
größere ist, als die eines Rauchers; die dritte Prämie bekommt der, wel 
cher nachweisen kann, daß der Zuwachs der Bevölkerung durch das 
Rauchen v e r m i n d e r t wird! 
Ob ad 1 der sictr. Lehrer das Rauchen selbst einstellen muß, ist nicht beigefügt; 
hier sieht man die Lehrer an Volks-, Real-, Gymnasial- und Polytech 
nischen Schulen flott m i t d c m G l im m st c n g el im Munde auf den Straßen 
gehen! Exempla sunt odiosa! Da kann das Ranchverbot natürlich nicht viel helfen!
	        
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