Volltext: Der Naturarzt 1878 (1878)

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Reine Reinoperation und fort mit den Rrnckev! 
Meine erste oder Jungfer kur nach physiatrischer Weise, 
von 
Kustav WotöoLd. 
Motto: 
Was kein Verstand der Verständigen sieht, 
Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüth. 
(Schluß.) 
Nachdem ich der Patientin diese erste Kurverordnung vorgelesen hatte, 
lachte sie herzlich und meinte: ich habe es ja recht gnädig gemacht; diese 
Kur sei gar nicht so strenge, auch noch schmälere Kost werde ihr nicht schwer fallen, 
ja sie wolle förmlich hungern eine Zeit lang, wenn ich cs für nothwendig 
halte. Die Kur begann nun andern Tages und wurde mit geringer Modi 
fikation fortgesetzt, wie mein Kurbuch besagt bis Ende Januar 1852, wo die 
Frau Hofkammerräthin dadurch bereits soviel erzielt hatte, daß sie mit dem 
schlimmen Fuße wieder o h n e Schmerzen sanft auftreten und o h n e die 
Krücken um den Tisch herumgehen konnte; von den 4 Wunden hatten sich drei 
geschlossen, das Aussehen war weniger gefärbt und die Anschwellung war eine ge 
ringere geworden. Durch dieses günstige Resultat meiner einfältigen Behandlung 
hatte sich nun auch die ge isti ge Stimmung der Patientin bedeutend gehoben, sic sagte 
bereits scherzend: „Es solle ihr nur Einer kommen zum Beinabnehmen, dem 
wolle sie mit den Krücken schon heimleuchten!" Anfang Februar überraschte 
sie mich mit der Erklärung: sie möchte jetzt gern in ihre Heimath zurückkehren . 
und nach ihrem Hauswesen sehen, ihr Mann habe ihr geschrieben, er wolle sie 
nächste Woche hier abholen. Was wollte ich machen? — Des Menschen Wille 
ist sein Himmelreich! Daß es besser gewesen, wenn die Dame noch bis Mai 
in Stuttgart geblieben wäre, liegt klar auf der Hand, denn im häuslichen Kreise 
läßt sich ein solches Verfahren nicht so ungestört durchführen, als in einer Anstalt 
oder wie im vorliegenden Falle bei einem reichen, gut situirten Bruder, wo Alles 
zur Bequemlichkeit vorhanden war und Patientin ganz ungenirt ihrer Kur ob 
liegen konnte. Der Gatte kam also, war sehr erfreut über die Fortschritte, die 
seine Frau gemacht, bestand aber darauf, selbige mit zu nehmen und versprach, 
dafür besorgt zu sein, daß die Kur zu Hause noch längere Zeit nach meiner 
Angabe fortgesetzt würde, somit — mußte ich diese meine erste Patientin 
nolens volens ziehen lassen! Wie sic mir ein paar Wochen nachher schrieb, hatte 
sie aut ihrer Reise Unglück, indem sie beim Einsteigen in den Eisenbahnwaggon 
hinfiel, jedoch ohne sich Schaden zu thun, cs that blos einige Stunden im Beine 
„brummen". Verabredetermaßen setzte sie zu Hause die Kur mit geringen 
Unterbrechungen fort und schrieb mir dann im August (1852) Folgendes: 
Die Wunden sind nun sämmtlich geschlossen, noch ein wenig Ausschlag oder Färbung 
hat der Fuß um die Wunden herum, das Gefühl im Fuße, wie z. B. Zusammenziehen, 
Spannen an den Narben der Fistelgänge, die Steife, das Singeln re. sind immer noch vor 
handen, auch kann ich noch nicht recht herzhaft mit dem rechten Fuße auftreten, weshalb ich 
mich beim Herumgeben im Hause und Garten der Sicherheit und Festigkeit wegen immer 
noch einer Krücke bediene. — 
Mitte October kam sie dann tvieder nach Stuttgart, um die Kur vollends 
zu Ende zu bringen, resp. auch die Eine Krücke »och ad acta legen zu können. 
Ich fand ihr Aussehen recht gut, ihren Körper etwas korpulenter, ihren schlimmen 
Fuß auch um vieles besser, die 4 Wunden ganz zugeheilt, deren Narben sehr ver 
tieft und ihre Umgebung noch gefärbt und schuppig, das Gehen ohne die eine 
Krücke nicht möglich, z. B. mit Stöcken, da das herzhafte Auftreten noch mit 
Schmerzen und Stichen bis in die Hüfte verbunden war. Also hieß es: Sa
	        
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