Volltext: Der Naturarzt 1878 (1878)

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Wolhabenheit gelangt. Seine Wonung wird tagtäglich, namentlich Nachmittags von zum 
Teil aus weiter Ferne, selbst aus Böhmen und dem Vogtland, nicht selten mit Geschirr 
gekommenen Leuten aus den verschidensten Ständen besucht und das zimlich geräumige 
Wartezimmer ist immer dicht gefüllt, teils mit Kranken, teils mit deren A n v e r w a n t e n , 
da bei der „S i m P ati - Ku r" der Doctor den Kranken gar nicht zusehen braucht, 
sondern sich mit Anhörung der Krankengeschichte begnügt und darnach seine Wunderzettel 
schreibt. Diselben zerfallen in zwei Kategorien; entweder werden sie auf den leiden 
den Teil des Körpers über Nacht aufgebunden, oder der Kranke muß sie ver 
schlucken. Letztere Manir wird meist in schweren Krankheitsfällen angewendet. Die 
Folge beider Verwenduugsarten soll nach den im Volke umgehenden Traditionen darin be 
stehen, daß der Kranke in einen starken Schweis fällt, die Krankheit somit ausschwitzt. 
Tritt der Schweis nicht ein, so neme die Krankheit einen t ö t l i ch e n Verlauf. Kommt 
ein Patient oder ein Angehöriger bez. Freund desselben zum Adorfer Zetteldoctor, so mus 
er von der fraglichen Krankheit erzälen, worauf der Wundermann sogleich erklärt, ob er 
nicht helfen kann, oder ob Aussicht sei, daß seine Kur anschlage. Hat er ersteren Ausspruch 
getan, so läßt er sich nur selten und meist erst nach inständigem Bitten dazu bewegen, 
Zettel zu schreiben und so ,,e i n en V er such zu mache n" ; der Mann versteht eben 
sein Geschäft. Er übernimmt überhaupt nie e i n e G e w ä r für den günstigen Erfolg 
seiner Kur, sondern sagt nur, daß sich das obenerwänte ,,B e r s ch w i tz e n der Krank 
heit" einstellen müsse. Immer bleibt ihm aber im ungünstigsten Falle die Ausrede, der 
betr. Patient habe gewis nicht an die Unfelbarkeit des Simpatimittels geglaubt und o n e 
Glaube g e b e e s auch k e i n e H i l f e. Auch übernimmt der Zetteldoctor nie einen 
Patienten, wenn derselbe von einem Arzte behandelt wird, außer, wenn er verspricht, dem 
Mediziner den Abschid zu geben. Was nun das Simpatimittel, die Zettel anlangt, so 
bestehen diselben aus einem Stückchen weisen Papir, auf dem meist drei Kreuze, manch 
mal auch einige seltsame Buchstaben geschriben sind, die der Wundermann in Gegenwart 
seines Clienten aufzeichnet, dann das Papir zusammenbricht und letzterem einhändigt, nach 
dem er noch den Fall in eine Art Journal, welches vor ihm auf dem Pulte ligt, ein 
getragen hat. Wie gesagt, st r ö m e n d i e L e u t e in h e l l e n H a u f e n zum Adorfer 
Wunderdoctor. Traurig, aber wahr! Wie gut das Geschäft desselben geht, 
dürfte unter Anderm daraus ersichtlich sein, daß derselbe am Sonnabend und Sonntag 
gar keine Besuchen n n i m m t; er hat's eben nicht nötig , auch an disen Tagen 
die 15-Pfennig-Zettel zu sabriziren, es kommen an den übrigen Tagen der Woche — 
der Dummen übergenug!! 
(Schlus folgt.) 
Lust, mehr Lust, ich ersticke! 
Meine Jubiläumskur oder die erste Kur bei B? ginn des 
26. Jarcs meiner fisiatrischen Praxis. 
, Von 
Gustav Wolvokd. 
(Fortsetzung.) 
Die erstmalige Untersuchung mit dem Spirometer (Lungenluftmcsser) ergab 
zu meiner Verwunderung trotz des ärztlich constatirten Emfisems (s. später) 
über 3000 □ Ctm., so daß ich an der Diagnose hätte zweifeln können, wenn 
selbige nicht von verschidenen Aerzten gestellt worden wäre, um so besser für 
meinen Patienten, dachte ich und mit dem Astma wollen wir unter solchen ana 
tomischen Zuständen schon fertig werden ; je länger cs fortbleibt, desto weniger 
ist seine Widerker später zu erwarten. Eine Modifikation erlitt meine obige 
Verordnung, nachdem nur der Patient inzwischen noch mitgeteilt, daß er einen 
Schnupfen seit 2 Zaren nicht los werde, den er sich im Winter beim Kafe- 
brennen im Hofe zugezogen; er glaube, wenn er den los würde, dann wäre 
ihm geholfen und der Brustkramps für immer beseitigt; er bat mich 
einmal nachzudenken, ob man dem nicht energisch aus den Leib gehen könne. 
Ich erwiderte ihm darauf, daß es nur ans seine Willenskraft ankomme, einen 
eingreifenden Versuch zu machen, seine Lungen von den angehäuften und an-
	        
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