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Pockenimpfung), die retu miasmatischen Krankheiten (Wechselfieber), die verschleppbar mias-
malischen Krankheiten (Unterleibstyphus, Cholera, gelbes Fieber, Pest), Einfluß örtlicher
Bedingungen, Verbreitnngsart, prophylaktische Maßregeln, — Desinfeetion, Quarantäne,
Assanirung der Ortschaften.
Vorstehendes ist der Inhalt der heutigen wissenschaftlichen
Gesundheitslehre, welche noch lange nicht — bombenfeste Wahr
heit ist; Verfasser giebt dies auch zu, denn er sagt in seinem Vorwort sehr
bedächtig:
„Die hygienische Forschung ist noch sehr jung; wir stehen in derselben nur zum
geringsten Theil auf den Schultern unserer Väter, größtenteils verdankt sie ihre Existenz
der gegenwärtigen Generation. Es ist deshalb nicht wunderbar, wenn das Material, aus
welchem dereinst das Gebäude der wissenschaftlichen Gesnndheitslehre errichtet werden
soll, noch vielfach lückenhaft ist, wenn es da und dort an strengen Beweisen für an
genommene Lehrsätze der Hygiene fehlt, wenn viele Fragen von großer Wichtigkeit noch
als offene erklärt werden müssen und wenn für die Wirkung vieler, unzweifelhaft ge
sundheitsschädlicher Factoren die richtige. Deutung noch nicht gefunden ist! Ich habe
es allerdings möglichst vermieden, den Leser mit Auseinandersetzung wissenschaftlicher Hypo
thesen zu belästigen, aber doch glaubte ich andererseits mich nicht allein auf die Schilderung
von Dingen beschränken zu müssen, die schon zweifellos bewiesen sind. Es ist gut, wenn
der Gang der wissenschaftlichen Forschung einem größeren Publikum nicht verborgen bleibt,
auch wenn es dabei die unvermeidlichen Irrthümer der Gelehrten mitmachen sollte"
Also daß die Gelehrten sich auch irren können, giebt der Verfasser
wiederum zu, vergißt aber hinzuzufügen, daß sie oft sehr hartnäckig an diesen
Irrthümern festhalten, auch dann noch, wenn bereits im Publikum,
das ist unter den Laien, eine Erkenntniß dieser Irrthümer aufdämmert!
Ich will hier keine Beispiele anführen, sondern mich bescheiden, meinen Lesern
die Lesung dieses Buches zu empfehlen, weil sie ohne alle Frage viel daraus
lernen können und die wenigen den Laien bereits aufgedämmerten Irrthümer
ihnen aus Artikeln im N.-A. schon bekannt sind, so in Bezug auf Ernähr
ung, Impfung re.
Was nun Verfasser über Impfung anführt, will ich doch hersetzen,
denn er beleuchtet diese „offene Frage" von beiden Seiten, der impf
freundlichen und der impfgegnerijchen, und verdient darum sein unpartei
isches Vorgehen alles Lob! Er sagt S. 403 wörtlich:
Den Umstand, daß das einmalige Ueberstandenhaben einer ansteckenden Krankheit einen
gewissen Schutz gegen eine zweite Erkrankung gewährt, hat man bis jetzt ausschließlich bei
den Pocken praktisch verwerthet. Schon die alten Kulturvölker wußten, daß nach einmaligem
Ueberstehen der Blattern die Empfänglichkeit des Individuums für diese Krankheit sehr ab
nimmt und daß jedenfalls eine spätere zweite Erkrankung in milderer Form verläuft (hat
sich nicht als richtig erwiesen, indem bei der Pockenepidemie 1870/71 Viele von den Blattern
weggerafft wurden, welche mehrmals geimpft worden oder die natürlichen Blattern gehabt
hatten. D. Red.) Es war deshalb ganz natürlich (?), daß man durch künstliche Üeber-
tragung des Pockengiftes einerseits eine abgeschwächte Form der Krankheit zu erzeugen und
andrerseits den Menschen vor zukünftiger Ansteckung zu schützen suchte. Zu diesem Zwecke
impfte man den Gesunden das in den Pockenpusteln enthaltene Gift der ächten Menschen
blattern ein (Inokulation) oder suchte auf irgend eine andere Weise (durch Tragen der Kleider
von Pockenkranken) die Ansteckuug hervorzurufen. So verfuhren die Chinesen, die Indier
und auch in England und Schweden war namentlich im 18. Jahrhundert die Inokulation
des ächten Pockengiftes als Schutzmittel gegen die Krankheit sehr beliebt und verbreitet.
Immerhin war diese Methode eine äußerst gefährliche und der Schutz, welchen sie
gewährte, ein zweifelhafter, denn Viele der Jnokulirten starben und außerdem
erlangte hierdurch das Krankbeitsgift auf k ü n st l i ch e W e i s e eine sehr große Verbreitung.
Es war deshalb ein entschiedener F o r t s ch r i t t (?), als man zuerst in den 90er
Jahren des vorigen Jahrhunderts entdeckte, daß auch die Ansteckung mit einer am Kuheuter
gefundenen Pocke (Vakzine) vor den Menschenblattern schlitze und als dann I e n u e r im
Jahre 1796 zeigte, daß das im menschlichen Körper nach der Impfung mit den sog. Kuh
pocken erzeugte Gift (die h u m a n i s i r t e K u h p o ck e n l y m p h e) dieselbe schützende
Eigenschaft besitze, wie der ursprüngliche Inhalt der Pockenpustel bei der Kuh (welche durch
Übertragung des Menschenblatterngiftes ans die Klihe entsteht, da es keine u r s p r ü n g -