Volltext: Der Naturarzt 1878 (1878)

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tiker? — Er ist zum Militär gegangen, absolvirt seinen „Einjär- 
igen Freiwilligen" und befindet sich pudelwol auf dem Exercir- 
platz! Und was sagt der Herr Medicinalrat zu diesem Curresultat? 
Tacet, d. h. er schweigt, und denkt wol: Hol' der Kukuk den verdammten 
Wasserdoctor, der jetzt freie Praxis hat und nicht mehr vor die Wol 
fartspolizei citirt werden kann wegen — Kurpfuscherei!!! 
(Schluß folgt.) 
Gin vegetarianisches Kosthaus in Wien. 
Schreiben an die Redaction von F. W. K u b i c z c k. 
Wien, die Genußstat pur sxoollsues hat seit 1. Februar 1877 ein vcge- 
tarianisches Kosthaus. Seit vielen Jaren mußten wir den Vorwurf hören, 
in Wien ist es jedem Einzelnen (one eignen Herd) unmöglich gemacht, 
naturgemäß resp. vegetarianisch zu leben, außer er lebt von Obst 
und Brod, und zu letzterem werden sich nur Wenige und auf nicht lange 
Zeit herbeilassen rc. Wenn ich Sie nun bitte, diesen Zeilen in Jrem Blatte 
Raum zu gönnen» so geschiht es vorwigend deshalb, damit die Leser des 
„Naturarzt" in Wien durch iren Zuspruch und Empfelung dieses Kosthaus 
unterstützen, denn das Kind ist noch zu jung und bedarf wirklich einer sorg 
samen Pflege und eifriger Unterstützung. — Wien hat über 1 Million Ein- 
woner und sollten sich unter disen nicht etwa 100—200 Menschen finden, 
die bei den enorm teuren Lebensverhältnissen schon aus Oeconomie vcge- 
tarianisch speisen möchten? Mehr braucht diese Beköstigungsanstalt (s. Inserat) 
zu irem stetigen Bestände nicht als 40—50 ständige Besucher (sog. Stammgäste). 
Die Speisen find durchweg schmackhaft und kräftig, ich speiste daselbst im 
vorigen Sommer etwa 20 Mal und habe von meinen Tischgenossen, durchweg 
den intelligenten Ständen angehörig, nur Lob und Zusridenheit gehört, nur 
an Einem kränkelt dieses Kosthaus: es ist in Wien noch zu wenig 
bekannt und zur allgemeinen Bekanntmachung seien die 
Mittel. — Der Unternemer ist nicht in der Lage, für Bekannt 
machungen etwas zu opfern, deshalb bitte ich die Leser des „Naturarzt" in 
Wien, durch iren Besuch und Empfelung in iren Kreisen den Bestand diser 
Unternemung nach Tunlichkeit zu fördern, damit es nicht einmal zur Tatsache 
wird: in Wien, der eine Million Seelen zölenden Kaiserstat, ist 
ein vegetarianisches Ko st Haus unmöglich. 
Nachschrift der Redaction. 
Wir räumen vorstehendem Aufrufe gerne ein Plätzchen hier ein und wünschen, daß 
er von guten Folgen sein niöge. Es ist aber nicht zu verkennen, daß in einer so großen 
Etat wie Wien es seine besonderen Schwirigkeiten hat, wenn Einer oder Eine jeden 
Mittag villeicht 1 oder gar 2 Stunden Weges hin und zurück machen sollen, um zu irem 
bescheidenen Essen zu gelangen, wärend sie villeicht nur eine Stunde Arbeitspause 
haben. Es ligt also oft gar nicht im blosen Willen des Einzelnen, ob er dise vcgetar. 
Spciscanstalt in der F l o r i a n i g a s s e Nr. 17 (siehe Inserat) benutzen will oder nicht, 
sondern in den masgebcnden Verhältnissen, die nicht Jeder in seiner Gewalt hat, denn 
nicht Alle sind so glücklich, Rentiers zu sein, somit können von disen künstlich abhäng 
igen Vegetarianern nur solche von dem Kosthaus Gebrauch machen, welche nicht zu ent 
fernt von ihm wonen, wodurch die Million Einwoner schon beträchtlich zusammen 
schrumpft. Nichts destoweniger begrüßen wir das Unterncmen aber mit Fronden und 
wünschen ihm besten Fortgang durch Besuch und Empfelung dortiger wie zurcisender 
Freunde des Vegetarianismus.
	        
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