Volltext: Der Naturarzt 1878 (1878)

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Demnach sieht Jedermann ein, daß Putzar's Ausdrucksweise ganz falsch 
ist, indem eben die über das Gewöhnliche gesteigerte Körperwärme mit 
Beschleunigung des Pulses und Athems — Fieber genannt wird! Von Messung 
des Fiebers resp. der Körperwärme mit dem Blutthermometer spricht P. 
auffallender Weise nirgends und doch richtet sich die ganze Behandlung bei 
diesen Jnfectionskrankheiten nach dem Grade des Fiebers resp. nach dem über 
das Normale gesteigerten Temperaturgrade des Körpers, welchen genau zu 
wissen für den Arzt oder behandelnden Laien sehr wichtig ist, damit er sich 
mit der Wärmeentziehung danach richten kann und sich nicht blos auf sein Hand 
gefühl verlassen muß, welches leicht trügt! Der Vorwurf der zu vielen 
Wärmeentziehung trifft ferner am ehesten seine approbirten Kollegen, indem 
selbige z. B. in öffentlichen Krankenhäusern, wie ich mehrfach erfahren habe, 
solche Kranke 10 Min. und noch länger in Wannen mit kaum 10° Wasser 
liegen lassen, wobei die Körpertheile gar nicht frottirt werden! Und das 
wollen „sachverständige Hände" sein!! Gott behüte uns vor denselben! 
Bei den Pocken sagt P. wörtlich Folgendes: 
Als Schutzmittel gegen die Pocken gilt die Impfung mit Kuhpockenlymphe oder 
mit sogenannter animalischer (?) Lymphe und, da man die Beobachtung gemacht hat, 
daß die Impfung oft nur für eine unbestimmte Zeit helfen soll, so hat man die wieder 
holte Impfung (Revaccination) eingeführt und zwar bekanntlich im deutschen Reiche als 
Reichsgesetz. (?) Gegen dieses Gesetz wogte der Kampf in immer höheren Wellen auf 
und nach meinem Dafürhalten nicht ohne Berechtigung. Dieses Gesetz schließt eine 
schwerwiegende, schwer zu verantwortende Beschränkung der persönlichen Freiheit in sich. Ich 
kann mich nicht in dem Raume dieser Blätter über Zweckmäßigkeit und Nothwendigkeit der 
Impfung oder über das Gegentheil aussprechen, aber ich finde es nicht human und nicht 
gerecht, die Bevölkerung eines Staates zwingen zu wolleu, sich durch Einimpfung eines 
Giftes gegen ein anderes Gift schützen zu lassen, von welchem andern Gifte 
Tausende und Tausende von Menschen nicht heimgesucht werden, während es nicht mehr wegzu 
leugnen ist, daß in Folge von Impfung Krankheiten übertragen wurden und entstanden sind. 
Ich bin aus triftigen Gründen ein Gegner der Impfung geworden, nachdem ich in meiner 
früheren Stellung fast 500 Kinder geimpft habe und meine eigenen 5 Kinder nichtgeimpft 
sind. Dieselben sind auch von der wahren Variola befallen worden, bei angewandter 
hydriatischer Behandlung sind sie aber genesen und munter geblieben. Man sagt, daß seit 
Einführung der Impfung die Epidemien seltener und viel weniger bösartig geworden 
seien, aber es ist ebenso eine historische Thatsache, daß in früherer Zeit, wo man die Impfung 
noch nicht kannte, schwere und leichte Epidemien vorgekommen und viele oder auch nur 
wenige Kranke gestorben sind und abgesehen von Amerika, bestätigen die neuerdings in 
England und Oesterreich vorgekommenen Epidemien, daß die Impfung ein sicheres 
Schutzmittel nicht ist. Ich halte die Acten für oder gegen die Impfung durchaus 
noch nicht für abgeschlossen! 
Sollten wir nicht erst, wie bei anderen Epidemien, sanitarische und therapeu 
tische Maßregeln versuchen, ehe man zum Absolutismus greift? 
Im großen Ganzen sind die Pocken w i e der Scharlach zu behandeln, einige Modifi 
kationen ergeben sich aus der Sachlage; wie in allen akuten Jnfectionskrankheiten ist das 
Fieber und die S t e i g e r u n g d e r K ö r p e r t e m p e r a t u r fest im Auge zu behalten 
und besonders während des Eiterungsfiebers auf Lokalisirung des variolösen Prozesses und 
namentlich auf die Nieren und andere Unterleibsorgane zu achten. Sobald sich das F i e b e r 
und die Körpertemperatur erheblich steigern, sind wiederholte feuchte Einhüllungen 
zu empfehlen, um beide (?) auf einen mäßigen Grad herabzusetzen. Es ist nicht thunlich, 
für alle Fälle eine gewisse Anzahl P u l s s ch l ä g e anzugeben , bis zu welcher man sich 
bemühen muß, den Puls herabzusetzen; diese differiren bei verschiedenen Personen, selbst 
wenn das Fieber mäßig ist. Das Gefühl der Kranken giebt in der Regel einen sichern 
Maßstab, wie weit die Entziehung der Wärme angezeigt ist, während bei kleineren Kindern 
allerdings genaue M e\ f u n g e tt (?) stattfinden müssen. 
Aus Vorstehendem entnehmen wir, daß auch Dr. Putzar zu den Jmjis- 
gegnern zählt, als welchen er sich aber meines Wissens bis jetzt in öffentlichen 
Blättern noch uicht erklärt hat ä la Dr. Nittinger, Prof. Dr. Ger 
mann, Dr. Oidtmann und viele andere Aerzte mehr, ebensowenig hat er
	        
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