Volltext: Der Naturarzt 1878 (1878)

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öfters einen Schluck frischen Wassers zu geben und die Umschläge zu erneuern, 
so oft sie ziemlich warm geworden; dann ging ich in mein Schlafzimmer, da 
ich seit 3 Uhr früh auf der Reise und hier körperlich und geistig sehr ange 
strengt gewesen und erklärlicher Weise mich nun auch nach ein wenig Ruhe 
sehnte. Gegen 2 Uhr wurde ich dann vom Vater nach Verabredung geweckt 
mit den Worten: Doctor, der Thermometer zeigt über 39, die Backen glühen 
wie ein Plätteisen, Laura phantasirt auch schon wieder! Was machen wir 
nun? — Rasch war ich munter und in den Kleidern, ging dann hinüber in 
die Krankenstube, fand die Untersuchung richtig und brachte deshalb Patientin 
trotz ihres Bittens und Flehens „sie doch noch eine Stunde ruhig 
schlafen zu lassen!" in's paratgehaltene Halbbad, und behielt sie darin solange, 
bis sie gut abgekühlt war, denn hier galt es ja: dem zügellosen Brand NN 
Körper energisch Halt zn gebieten, um dadurch allen gefürchteten 
FolgezuständenderHerrenMedizinervorzubeugen! Alsdann 
legte ich mich ganz schlaftrunken wieder in's Bett und gegen Morgen weckte 
mich der Vater ganz lakonisch mit dem Rufe: 38,2 0 ! Als ich nach einigen 
Minuten hinüberkam, fand ich die Untersuchung mit dem Thermometer richtig, 
die weitere Nachforschung iin Munde rc. befriedigend und ordnete nun, resp. 
machte selbst blos die feuchte Ganzpackung, bis zur mäßigen Erwärmung, um 
den Scharlach recht herauszulocken! Patientin konnte ich gegen 2 
Stunden so liegen lassen, da sie längere Zeit ziemlich ruhig darin schlief; sic ging 
auch gerne hinein, weil sie ihr anfangs so angenehm kühlend war; als das Gesicht 
roth wurde, Brust und Rücken bedeutend warm sich anfühlten, nahm ich sie 
heraus und badete sie wieder bis zur merklichen Abkühlung, was Laura 
jedesmal ein wahres Labsal war, das sie nicht genug loben konnte und wobei 
sie mir immer recht verständig entgegenkam, so z. B. indem sie den Hals 
durch Zurückbeugung des Kopfes den kälteren Uebergießungen recht zugänglich 
zu machen wußte und dann ausrief: Oh, das thut ach er wohl; noch 
mehr gießen! So kommt mau der gefährlichen todbringenden Drüsen 
anschwellung zuvor!! 
Ich gab nun meine weiteren Verordnungen bez. des Frühstückes, Anlegung 
der Hals- und Leibumschläge, eines Klystiers , öfteren Wassertrinkens, fleißiger 
Mundbäder und empfahl mich dann, indem ich sagte, daß ich wegen des Maaßes 
zur Badewanne nach Eger hinein spazieren wolle, von wo ich aber gegen Mittag 
bestimmt zurückkehren werde, bis wohin weiter Nichts zu thun sei. Als ich 
gegen 12 Uhr zurückgekehrt war, ergab die Thermometermessung wieder über 
39°, daher ließ ich das Halbbad herrichten und kühlte Laura darin wieder 
gehörig ab, was das für sein Alter sehr verständige Mädchen sich wie gesagt 
recht gerne gefallen ließ, da ich ihm begreiflich gemacht, warum die ganze 
Behandlung so geschehen müsse, wie sie geschah, und daß ich ihm davon in 
seinem eigenen Interesse Nichts erlassen könne! Nachmittags 4 Uhr kam 
der Doctor von Franzensbad wieder vorgefahren, (der von Eger ließ sich 
nicht wieder sehen!!) und erkundigte sich angelegentlich nach dem Befinden und 
fand Patientin den Umständen gemäß — sehr gut; ich benützte diesen seinen 
Ausspruch, ihm die weitere Behandlung vom nächsten Tage an zu übertragen, 
da ich dann als am dritten Tage mein Retourbillet nach Dresden benutzen 
wolle; er weigerte sich dessen aber ganz entschieden und sagte allen Ernstes: 
„Bleiben Sie nur hier und halten Sie Ihr Wort, dieses 
Kind über alle Gefahre ndieserbösen Krankheit glücklich 
hinüberzubringen!" Auch gut, dachte ich, davor ist mir wahrlich nicht bange 
und so ungeschickt mir jetzt gerade eine längere Abwesenheit von Dresden kommt,
	        
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