Volltext: Der Naturarzt 1878 (1878)

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Nachdem ich dem Herrn auf sein Befragen über mein Tun und Lassen, 
Wol und Wehe seit meinem Abgänge von Herrenalb Aufschluß gegeben, rückte 
er mir etwas näher und sagte ser bewegt: „Es ist doch nicht so ganz un 
eigennützig von mir, daß ich Sie hir aufsuche, sondern ich habe noch ein be 
sondres Anligen an Sie, das ich Inen jetzt mitteilen will und worüber ich 
mir Ire Ansicht erbitte, denn ich habe ein wenig Respect vor Inen, da Sie 
bis heute treu bei der Wasserkur ausgehalten haben und zugleich einiges Ver 
trauen auf Ire Erfarungen in derselben. — Also verneinen Sie! Wie ich 
Inen wärend unseres Zusammenseins in Herrenalb schon so gelegentlich er- 
zälte, lebt mir am Rhein eine libe Schwester, die an einen fürstlichen 
Beamten verheiratet und leider schon mcre Jare ser leidend ist. Ire 
beiden Beine versagten ihr nämlich in. den letzten Jahren mehr und mehr 
den Dinst, sind in den Knien auch etwas geschwollen, schmerzen, wenn sie 
auftritt, haben stellenweise ein blaurotes Aussehen, mitunter kommt eine Blut 
schwäre zum Vorschein: vergangenen Winter ging es schlechter als je mit ihr, 
sie konnte blos noch mit 2 Krücken int Zimmer herumgehen und lamentirte in 
iren Brisen jämmerlich, so daß ich ihr den Vorschlag machte, doch einmal 
nach Herrenalb statt in warme Bäder zu gehen und dort bei I)r. Z i p p e r l e n 
eine Wasserkur zu gebrauchen. Da nun die Aerzte in irer Gegend ihr keinen 
Rat mehr wußten, alles Salben und Schmiren und Brennen den Zustand 
nicht besserte, so folgte sie meinem Rate und reiste im Juni nach Herrenalb, 
befindet sich zur Zeit auch noch dort, aber — bis jetzt one allen Er 
folg, so daß sie mir im letzten Brise noch Vorwürfe machte, nur auf 
meinen dringenden Zuspruch disc schreckliche nutzlose Kur unternommen zu 
haben; dazu kommt» daß vor Kurzem zufällig dort anwesende Aerzte von 
Straßburg, Carlsruhe und Stuttgart, welche Verwante besuchten, in einem 
erbetenen gemeinschaftlichen Consilium die Ansicht ausgesprochen haben: es 
werde hier auch mit der Wasserkur nichts mehr zu machen und das 
einzige Mittel später eine — Operation sein, wovor nun die Schwester 
aber allen Respect hat; das Schlimmste ferner ist der Umstand, daß vr. Z. 
auch gar keinen ermutigenden Ausspruch zu machen wogt, so daß die Pat. nun- 
mer in einem wirklich verzweifelten Zustand sich befindet und ich selbst in 
nicht geringer Verlegenheit stecke, weil ich diselbe zur Wasserkur persuadirt habe, 
und ist dies doch nur in guter Absicht von mir geschehen, weil ich die Ueber 
zeugung gehabt und noch habe. daß bei diser Patientin, welche noch nicht 
50 Jahre alt ist, immer ein einfaches häusliches Leben gefürt, — und durch 
nur wenige Geburten nicht so mitgenommen sein kann — eine Wasserkur ire 
guten Dinste nicht versagen werden Wo ligt nun der Feler und wissen 
Sie mir villeicht einen Rat, über Freund? —" 
Darauf konnte ich nun allerdings nur ausweichend antworten, so enthusiastisch 
ich damals auch für die Wasserkur schwärmte, denn ich hatte bis dahin ja erst 
seit IV2 Jaren Erfarungen an meinem eigenen Leibe gemacht, meine Kennt 
nisse sonst nur aus ein paar Dutzend Wasserschriften geschöpft, erst angefangen 
mit dem Studium der Anthropologie re. und sollte nun 50 Meilen entfernt 
von der Patientin, die ich nie gesehen, einen Ausspruch tun in einem Falle, 
wo 4 approbirte Aerzte (die am Rhein nicht mitgerechnet) — die 
Achsel zuckten, wie die Ochsen am Berge standen und guter Rat in der Tat 
teuer war! 
Dennoch lautete meine Antwort nicht untröstlich, da ich damals doch 
schon so viel los hatte, daß bei der Wasserbehandlung ja nichts Schädliches in 
den Körper hineinkommt, der Stoffwechsel durch die Kuroperationen nur bc-
	        
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