Volltext: Der Naturarzt 1877 (1877)

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des Naturheilwirkens behufs Entfernung der krankhaften Stoffe aus dem Organismus, 
welche unsere Aerzte in unseliger Verblendung und totaler Unkenntniß des Naturheil-- 
processes befangen immer wieder mit allen nur möglichen Mitteln, in neuester Zeit also 
mit kaltem Wasser bekämpfen zu müssen meinen. — Fieber und Entzündung — 
sie sind in Wahrheit die treuesten Verbündeten jedes wahren Arztes, ohne deren Bei 
stand er auch nicht einen einzigen Patienten kuriren kann! Nicht eine konsequent 
durchgeführte Entziehung der Wärme, deren Uebermaß das Fieber verursacht, kann dem 
nach die Hauptbedingung der Kur sein, sondern eine derartige Regelung jenes schrankenlos 
waltenden Feuers, daß es, statt den Organismus zu zerstören, seine Hand, wie ihm seine 
Bestimmung vorzeichnet, vielmehr dazu bietet, ihn von seinen Krankheitsstoffen zu 
befreien! 
Soweit der Schrothianer Ernst F r e i m u n d ! 
Ich gehöre entschieden nicht zu den gehässigen und verbissenen Gegnern Vater 
Schroth's, was ich durch meinen Leitartikel im N.-A. 1871 über P r i e ß n i tz und S ch r o t h 
und meine Schilderung vom heutigen Lindewiese im Jahrgange 1873 bewiesen habe, welchen 
Passus seiner Wahrheit wegen sogar Dr. Loh in seinem Schristchen über Naturheil 
verfahren citirt hat. Ich erkenne vielmehr beide Männer, Prießuitz wie Sch roth 
als Pioniere ans dem therapeutischen Felde, aber nicht als vollkommenste, unfehlbare 
Heilmeister an, die ihren Nachfolgern Nichts mehr zu thun übrig gelassen, deren Auf 
gabe ist es vielmehr, die Mängel dieser Heilmethoden aufzudecken und sie zu verbessern und 
das Gute und Richtige beider nach Umständen passend zu verbinden, was recht wohl geht, 
wenn gleich die fanatischen Schrothianer sich mit Händen und Füßen dagegen sträuben! 
F r e i m u n d ' s Anschauungen vom Fieber und der Entzündung sind auch 
unrichtige und veraltete, ebenso wie seine Behauptung , daß die W a s s e r ä r z t e beide 
Heilproeesse mit ihrem Wasser geradeso zu unterdrücken streben, wie die Mediziner mit 
ihren Giften! Wären Fieber und Entzündung in Wahrheit selbstständige und wohlüberlegte 
Naturaete, so dürste man eigentlich gar Nichts dagegen thun, gerade wie man and) in 
gesunden Tagen zum eigentlichen Lebensproceß sehr wenig direct beitragen kann, so 
sehr geht derselbe ohne unser Zuthun ganz von selbst von Statten! Nicht so beim Fieber 
und der Entzündung, die ganz sich selbst überlassen in den meisten Fällen nur den 
Tod des Individuums herbeiführen würden! 
Möge ferner Herr Frei m u n d Mediziner, die mit dem Wasser pfuschen und uns 
Hydrotherapeuten, die wir das Wasser allein und mit Verständniß anwenden, nicht iden- 
tificiren und uns falsche Tendenzen in die Schuhe schieben! Auch ich kann mehre Fälle 
von Typhus und andern akuten Krankheiten aufweisen, die ich aus Mediziner - Händen 
übernommen und glücklich in Genesung übergeführt habe, wo die Staatsheilkünstler bereits 
alle Hoffnung auf Lebensrettung aufgegeben hatten! 
Aber nun fragt es sich meiner Ansicht nach, welcher Heilapparat ist in der Privat 
praxis der bequemere, der S ch r o t h stche oder der verbesserte P r i e ß n i tz stche, wenn 
man, wie die Erfahrung lehrt, mit beiden zum gleichen Ziele gelangen kann! Ich habe 
es tausendfältig erfahren, daß Kranke, wie ihre Umgebung gegen das öftere, vollends Tag 
und Nacht fortgesetzte Einwickeln einen entschiedenen Widerwillen haben, abgesehen davon, 
daß in ärmeren Familien oder nur beschränkten Verhältnissen die nöthigen Decken und 
Leintücher gar nicht zu beschaffen sind, was mir schon sehr oft passirt ist, erst jüngst noch 
in einer Ortschaft bei Dresden, wo ich 7 Typhuskranke zu behandeln hatte, bei denen ich 
das richtige Schroth'sche Verfahren nach F r e i m u n d nimmer mehr hätte durchführen 
können, die ich aber alle auf die einfachste Weise von der Welt mit Halbbüdern und Um 
schlägen glücklich durchbrachte,'obgleich Einer derselben vom Mediziner vor mir bereits 
aufgegeben war! 
Möchten doch die Vertreter beider Methoden sich die Hand bieten und gemeinschaftlich 
Fronte machen gegen die verderbliche Staatsheilkunde mit ihrem Irrwahn von der 
Heilkraft der Gifte, statt sich gegenseitig zu befehden zum Ergötzen der Approbirten, 
denn nur in der Mitte zwischen Gr äsenberg und L i n d e w i e s e liegt die Wahrheit, 
die Richtigkeit, nicht an einem der beiden Punkte allein!! 
3. Ernst Freimund, das diätetische Natur Heilverfahren in 
chronischen Krankheiten. Nach specifisch Schroth'schen Heilgrundsätzen 
in allgemein verständlicher Sprache für das Volk bearbeitet. 16. 312 S. 
Winterthur 1876. Verlag von Westfehling, Preis 2 Mark. 
Vers. sagt im Vorwort, daß er erst vor 7 Jahren die Kypkc'schen Schriften über das 
Schroth'sche Naturheilverfahren zu lesen bekommen habe; bis dahin sei er ein blinder Ver 
ehrer der Medizinheilkunde gewesen, aber glücklicher Weise durch das Kapitel „Ueber die 
Nutzlosigkeit und Gefährlichkeit der Arzneikuren" von dem Arznei-
	        
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