Volltext: Der Naturarzt 1876 (1876)

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sie auch darauf aufmerksam, ihren Sohn nicht bei sich zu sehen. Die Frau 
Baronin war nun fest entschlossen zu sofortigem Beginn der Behandlung, und 
somit gab ich ihrem Mädchen Anweisung zu einem Halbbad von 20 0 R. mit 
16 o Uebergießung mit darauffolgender feuchter Ganzpackung, in welcher sie 
extra dicken, feuchten Halsumschlag erhielt; ich besuchte sie auch während 
derselben und ermuthigte sie, sich keinen trüben Gedanken hinzugeben, sondern 
ihr Schicksal muthig aufzufassen und sich nunmehr so zu verhalten, wie es die 
Umstände erforderten! Als ich ihr Zimmer verließ, faßte nach der Herr Graf 
auf dem Corridor ab, erkundigte sich angelegentlich nach dem Befinden seiner 
Schwägerin und bat mich dann, ihn in eine Kammer zu begleiten, wo eine 
dritte Patientin liege, die Pariser Bonne seines kranken Kindes nämlich, die 
ebenfalls malade sei. — Ich ging sofort mit ihm und fand ein ca. 20jähriges 
Mädchen im Bette liegend, welches über große Mattigkeit, starken Kopfschmerz. 
Uebelkeit, schmerzhaften Unterleib, Stuhlverstopfung, kalte Füße klagte; ihr Puls 
ging 100 mal in der Minute, der Thermometer zeigte auf -fi 39° 0. Auf 
Befragen des Herrn Grafen, wie man diesen Zustand benennen könne, und 
ob die Bonne vielleicht auch, wie seine Schwägerin, das Scharlachfieber be 
kommen werde?. — entgegnete ich ihm, daß hierein gastrisches Fieber vor 
liege, und zunächst zwei Abwaschungen des ganzen Körpers mit 16 0 Wasser 
und 2 Sitzbäder 18 — 16 0 15 — 20 Min. Dauer täglich nebst großem Leib 
umschlag und 2 Klystieren genügen dürften. Darauf erwiderte der Herr Graf: es 
wäre ihm nun aber doch lieber gewesen, wenn ich gleich eine geübte Wärterin 
mitgebracht hätte, deyn 3 weibliche Patienten im Hause zu haben, sei kein Spaß, 
wenn man der Wasserbehandlung zuneige und Niemand im Hause etwas davon 
verstehe; er habe daher große Lust, nach Gräfenberg zu tclegraphircn 
wegen umgehender Zusendung einer Wärterin; ich mnßte dem Herrn Grafen 
beistimmen, und so wurde denn sofort nach Gräfenberg telegraphirt wegen 
schleunigster Absendung einer Badefrau, und mir nahm der Herr Graf das Ver 
sprechen ab, so lange im Schlosse zu bleiben, bis dieselbe angekommen und von 
mir wegen Behandlung der drei Patientinnen instruirt worden sei. Dienstag 
Nachmittag kam die Gräfin berger Badefrau an, worauf ich ihr noch am gleichen 
Tage die Ordination für alle 3 Patienten gab und bei der Bonne wie dem 
Kinde sie gleich die Proceduren in meiner Gegenwart ausführen ließ und mich 
von ihrer Geübtheit darin überzeugte. Ain Mittwoch Vormittag reiste ich nach 
Breslau und von da Abends, die Nacht hindurch, nach Dresden zurück, wo ich 
früh 4 Uhr ankam und ein paar Stunden hernach schon ein Telegramm 
empfing des Inhaltes: 
„Periode Nachts bei Baronin eingetreten, soll trotzdem mit der Cur fortgefahren 
werden? Temperatur heute 40. Radolinsk i." 
Meine Rückantwort lautete: 
„Ganz ruhig nach Vorschrift mit der Cur fortmachen, das Leben geht vor der 
Periode." 
Am 16. kam folgendes Telegramm von Jarotschin: 
„Bitte Herkunft einige Tage aufzuschieben, bis ich schreibe; Ihre Anwesenheit 
später bei Abreise nothwendiger; Alles normal! Radolinski." 
Und unterm 16. schrieb der Herr Graf Folgendes: 
„Wir haben uns sehr gefreut, Ihre Postkarte zu erhalten und sehnen uns sehr, ^Sie 
hier zu haben. Aber ich glaube es wäre besser, wenn Sie noch ein Weilchen Ihr Her 
kommen aufschieben wollten bis gegen Ende nächster Woche, um dann die Reise mit uns 
nach Dresden zu machen, denn wir werden nie die Courage haben, die Abreise ohne Ihre 
Hülfe zu unternehmen. Wer weiß, ob nicht bis dahin die anderen Kinder krank gewor 
den sein werden. Ich habe eine schreckliche Angst davor, obwohl sie bis jetzt recht wohl 
sind. Was nun die beiden Patientinnen anlangt, so geht Alles ganz normal. Bei der Kleinen
	        
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