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Nervosität und Hysterie. Ihre Ursachen, Verhütung und Heilung. Ein
Rathgeber für Jedermann. Einzelpreis 1 Mark.
Vers. sagt im Kap. Bleichsucht, daß diese Krankheit doppelter Natur
sei, indem sie erstens auf chemischen Veränderungen des eisenhaltigen Blut-
krystallin's und zweitens auf einer mangelhaften organischen Anlage der
Blutgefäße, besonders der Schlagadern und des Herzens beruhe, und daher,
wo die erste Form vorwalte, die Heilung auf chemischem Wege leicht gelinge (?),
bei den Formen der 2. Gruppe dieser aber nicht genüge, sondern die gesammte Diäte
tik des Organismus umgestaltet werden müsse, was durch kaltes Wasser, in
Form von Bädern, Abreibungen, Regendouchen, Uebergießungen, bewirkt werde,
indem dadurch der Organismus gegenüber den Witterungseinflüssen gestählt,
die Hautnerven und die Blutgefäße der Haut gekräftigt werden, sowie der
Brustkorb zu tiefen ausgiebigen Athmungen angeregt, auf welche Weise der
Blutmasse eine erhebliche Menge Sauerstoff zugeführt, der Appetit vermehrt
und die Verdauung verbessert werde.
Soviel zur Verhütung der Bleichsucht; zur Heilung der bereits be
stehenden thue es das Eisen nicht allein, sondern eine geeignete Diätetik
müsse die medikamentöse Behandlung unterstützen; mäßige Bewegung in freier
Luft, gute Nahrung, insbesondere Milch, Vermeidung von Aufregungen und
allzuanstrengendcr Körper- oder Geistesarbeit seien die besten Mittel hierzu.
Im Kapitel „Die Migraine" bezeichnet Vers. diese Krankheit als eine
Nervenkrankheit, und zwar eine Krankheit derjenigen Nerven, welche die
Blutgefäße des Kopfes beherrschen und beeinflussen. Diese Entdeckung habe der
Berliner Professor Du Bois-Reymond gemacht, während er selbst an
diesem schmerzhaften Uebel litt, und zwar habe derselbe erkannt, daß hier
Reizungs - und Erschlaffungszustände dieser Nerven vorliegen, wo
durch bald eine krampfartige Verengerung, bald eine lähmungsartige Er
weiterung der Blutgefäße zu Stande komme.
Die Ursache dieser Krankheit sei oft unbekannt, oft aber seien es Gram,
Kummer, schlaflose Nächte, übertriebene Geistesarbeit und Körperanstrengung.
Ein positives Mittel kennt Vers. nicht, zwar sei die Electrieität vielfach
versucht worden, doch habe sie nur in einigen Fällen geholfen; auch Eisen
präparate und Seebäder haben oft gut gethan. In einer der nächsten Nummern
werde ich die eklatante Heilung einer wöchentlich zu bestimmten Tagen
auftretenden Migraine bei einem Künstler auf physiatrisch - diätetischem
Wege mittheilen.
Im Kap. „Nervosität" beschreibt Vers. zuerst das Nervensystem nach seiner
anatomisch-physiologischen Beschaffenheit und sagt dann, daß Nervosität nichts
Anderes sei, als eine gesteigerte Empfindlichkeit der Nervenendapparate,
sowie eine gesteigerte Erregbarkeit mit rascher Ermüdung des Muskelsystems und
durch beides zusammen eine hochgesteigerte Reflexerregbarkeit; auch sei
sie der Ausdruck einer innern krankhaften Veränderung in den Nervenfasern.
Als beste Heilmittel der Nervosität werden angegeben — gute leicht
verdauliche Kost, den Verdauungskräften und dem Appetit der Kranken an
gemessen (natürlich Fleischkost!), Aufenthalt in frischer Luft, Genuß von
kleinen Portionen guten Rothweins und Bieres; in wieweit auch zur
rascheren Beförderung der Heilung in den Arzneischatz hineingegriffen
werden dürfe, wobei Eisenpräparate und Chinin eine Rolle spielen,
müsse dem Arzte überlassen bleiben. Bei Nervosität, die keine körperliche
Basis habe, könne nur des Kranken eigener Wille helfen! (?) Von einer
rationellen Wasser- und diätetischen Behandlung ohne Reizmittel