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cs der Verabredung gewäß vom Vater an den untern, von der Mama an den
obern Extremitäten mit den Händen mäßig frottirt wurde, während ich mit
einem Blechtopf erst Badewasser über die außerhalb des Wassers befindlichen
Körpertheile — Kopf und Rumpf — goß, dann ab und zu von dem parat
gehaltenen kühleren nahm; nach ea. zwei Minuten ließ ich den Wechsel ein
treten, d. h. ich brachte nun den Rumps mit sammt den Armen und Hinter
kopf ins Wasser und ließ die Beine über dasselbe halten, wobei ich den
Hinterkopf mit meiner rechten Hand so unterstützte, daß kein Wasser in die
Ohren laufen konnte; mit der linken Hand hielt ich den linken Arm des Kindes
im Wasser fest, die Frau Gräfin ließ ich den rechten Arm im Wasser fixiren,
und mit ihrer freien Hand die im Wasser befindliche vordere Rumpfpartie
frottiren; während der Herr Graf die Beine über dem Wasser hielt und
stark frottirte. Auf diese Weise wird der Körpertheil, welcher die edelsten und
blutreichsten Organe enthält, am besten ausgekühlt, während in den weniger blut
reichen untern Extremitäten wieder Reaction eintreten kann. Nach ein paar
Minuten brachte ich das Kind wieder in die erste Lage, frottirte ihm den
Rücken tüchtig, übergoß Kopf und Rumpf wieder mit kühlerem Wasser,
und da ich unter den Achseln an der Brustwand merkliche Abkühlung wahr
nahm, so stellte ich das Kind in der Wanne auf seine Füße, streifte
ihm das Wasser vom Kopf bis zu den Knieen mit der Hand ab, hob es
alsdann über dem Wasser in die Höhe und ließ ihm Unterschenkel und Füße
mit Tuch gut a b t r o ck n e n und brachte es nun auf das vorbereitete feuchtkalte
Lager, wo ich ihm zunächst die Halscompresse, dann den Rumpf-
um sch lag applicirte und nun regelrecht die Ganzpackung vollzog, wobei ich
bemerke, daß ich die eine Hälfte des Tuches nicht wie meist üblich, über beide
Beine hinweg, sondern blos über ein Bein und den Ueberschuß zwischen
beide lege, hernach die andere Hälfte über beide weggehen lasse und den Ueber
schuß unterstopfe, auch richte ich es so ein, daß an den Füßen nur so viel
feuchtes Tuch übrig ist, daß es gerade zur Bedeckung der Fußsohlen hinreicht,
den Ueberschuß des Tuches lasse ich oben am Halse umschlagen, wo er recht
wohl am Platze ist, nicht aber unten, denn sonst erwärmen sich die Füße
gar nicht oder erst in sehr langer Zeit; mit dem nun folgenden trocknen
Leintuch wird die Emballage durch Anziehen fester gemacht, worauf dasselbe
mit der Wolldecke geschieht, deren überschüssiges Ende ich umbiege und unter
die Füße schiebe; den Kopf lasse ich nicht auf Federkissen, sondern auf
einem mäßig harten Spreu-, Roßhaar- oder Pflanzenfasernkissen liegen, auf
welchem ein trocknes, mehrfach zusammengelegtes Handtuch befindlich; Gesicht
und Kopf werden nun abgetrocknet und die Haare ausgekämmt und aus
gebreitet; dann mache ich ein Fenster auf und lasse das Kind —in Ruhe,
welches bei der Badeprocedur manchmal nicht wenig sich sträubt, aus der
Wanne herausstcigcn möchte und oft mit lauter Stimme sein Mißfallen an
dem Uebergießen zu verstehen giebt, wobei aber immer die Eltern durch gute
und ernste Worte das Kind zum Gehorsam ermahnen müssen, denn nach einiger
Zeit werden sie diese Procedur gewöhnt und lassen sie sich gerne gefallen,
mögen oft nicht so bald heraus, als deren Beendigung angezeigt ist.
Nachdem nunmehr das ziemlich stark fröstelnde Kind so weit besorgt und
seine Bonne liebkosend neben seinem Bette saß, gingen wir Alle in's Neben
zimmer, wo die Frau Gräfin ein Gespräch mit mir anfing, dessen Kernpunct
die Frage bildete: Wie es denn möglich feie, daß ihr Kind, das seit seiner
Geburt nach Ablauf der Säugungsperiode rein vegetarianisch blos mit
roher Milch, Obst und Schrotbrod ernährt, alle Tage gebadet und an die Luft