Volltext: Der Naturarzt 1876 (1876)

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cs der Verabredung gewäß vom Vater an den untern, von der Mama an den 
obern Extremitäten mit den Händen mäßig frottirt wurde, während ich mit 
einem Blechtopf erst Badewasser über die außerhalb des Wassers befindlichen 
Körpertheile — Kopf und Rumpf — goß, dann ab und zu von dem parat 
gehaltenen kühleren nahm; nach ea. zwei Minuten ließ ich den Wechsel ein 
treten, d. h. ich brachte nun den Rumps mit sammt den Armen und Hinter 
kopf ins Wasser und ließ die Beine über dasselbe halten, wobei ich den 
Hinterkopf mit meiner rechten Hand so unterstützte, daß kein Wasser in die 
Ohren laufen konnte; mit der linken Hand hielt ich den linken Arm des Kindes 
im Wasser fest, die Frau Gräfin ließ ich den rechten Arm im Wasser fixiren, 
und mit ihrer freien Hand die im Wasser befindliche vordere Rumpfpartie 
frottiren; während der Herr Graf die Beine über dem Wasser hielt und 
stark frottirte. Auf diese Weise wird der Körpertheil, welcher die edelsten und 
blutreichsten Organe enthält, am besten ausgekühlt, während in den weniger blut 
reichen untern Extremitäten wieder Reaction eintreten kann. Nach ein paar 
Minuten brachte ich das Kind wieder in die erste Lage, frottirte ihm den 
Rücken tüchtig, übergoß Kopf und Rumpf wieder mit kühlerem Wasser, 
und da ich unter den Achseln an der Brustwand merkliche Abkühlung wahr 
nahm, so stellte ich das Kind in der Wanne auf seine Füße, streifte 
ihm das Wasser vom Kopf bis zu den Knieen mit der Hand ab, hob es 
alsdann über dem Wasser in die Höhe und ließ ihm Unterschenkel und Füße 
mit Tuch gut a b t r o ck n e n und brachte es nun auf das vorbereitete feuchtkalte 
Lager, wo ich ihm zunächst die Halscompresse, dann den Rumpf- 
um sch lag applicirte und nun regelrecht die Ganzpackung vollzog, wobei ich 
bemerke, daß ich die eine Hälfte des Tuches nicht wie meist üblich, über beide 
Beine hinweg, sondern blos über ein Bein und den Ueberschuß zwischen 
beide lege, hernach die andere Hälfte über beide weggehen lasse und den Ueber 
schuß unterstopfe, auch richte ich es so ein, daß an den Füßen nur so viel 
feuchtes Tuch übrig ist, daß es gerade zur Bedeckung der Fußsohlen hinreicht, 
den Ueberschuß des Tuches lasse ich oben am Halse umschlagen, wo er recht 
wohl am Platze ist, nicht aber unten, denn sonst erwärmen sich die Füße 
gar nicht oder erst in sehr langer Zeit; mit dem nun folgenden trocknen 
Leintuch wird die Emballage durch Anziehen fester gemacht, worauf dasselbe 
mit der Wolldecke geschieht, deren überschüssiges Ende ich umbiege und unter 
die Füße schiebe; den Kopf lasse ich nicht auf Federkissen, sondern auf 
einem mäßig harten Spreu-, Roßhaar- oder Pflanzenfasernkissen liegen, auf 
welchem ein trocknes, mehrfach zusammengelegtes Handtuch befindlich; Gesicht 
und Kopf werden nun abgetrocknet und die Haare ausgekämmt und aus 
gebreitet; dann mache ich ein Fenster auf und lasse das Kind —in Ruhe, 
welches bei der Badeprocedur manchmal nicht wenig sich sträubt, aus der 
Wanne herausstcigcn möchte und oft mit lauter Stimme sein Mißfallen an 
dem Uebergießen zu verstehen giebt, wobei aber immer die Eltern durch gute 
und ernste Worte das Kind zum Gehorsam ermahnen müssen, denn nach einiger 
Zeit werden sie diese Procedur gewöhnt und lassen sie sich gerne gefallen, 
mögen oft nicht so bald heraus, als deren Beendigung angezeigt ist. 
Nachdem nunmehr das ziemlich stark fröstelnde Kind so weit besorgt und 
seine Bonne liebkosend neben seinem Bette saß, gingen wir Alle in's Neben 
zimmer, wo die Frau Gräfin ein Gespräch mit mir anfing, dessen Kernpunct 
die Frage bildete: Wie es denn möglich feie, daß ihr Kind, das seit seiner 
Geburt nach Ablauf der Säugungsperiode rein vegetarianisch blos mit 
roher Milch, Obst und Schrotbrod ernährt, alle Tage gebadet und an die Luft
	        
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