Volltext: Der Naturarzt 1876 (1876)

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bei salzloser Kost nicht vorkommt — Krankheitserscheinung bewirken könnte, das 
bezweifeln wir nicht; und man ist leider gar zu rasch bei der Hand, einen 
solchen irrthümlich vermutheten Mangel an Kochsalz durch ein ausgleichendes 
Versalzen der Speisen und durch Mineralwasserkuren ersetzen zu wollen. 
— Daß aber auch ein zu großes Mcngenverhältniß des Kochsalzes in Blut 
und Lymphe, eine gar zu gewaltsame Salzzufuhr Vorkommen kann und wirk 
lich in zahllosen Fällen vorhanden ist, und daß eine solche stetige Uebersättigung 
des Blutes mit Kochsalz die bösartigsten Blutentmischungen bewirkt, die Dimen 
sionen der Blutkörperchen krankhaft ändert, ihre sphärische Gestalt zerstören und 
die Blutflüssigkeit und ihre Bahnen gleichsam versanden kann, daran denken wir 
leider selbst am Krankenbett noch nicht. 
Eines läßt sich von vornherein als feststehend annehmen: das tägliche 
Hindurchtreiben gelösten Kochsalzes durch unsere Lymph- und Blutadern kann 
nicht gleichgiltig, nicht wirkungslos geschehen. Diese tägliche, unnatürliche Ueber 
sättigung des Blutes mit Kochsalz muß den Aufbau und die Funktionen aller 
Organe in irgend einer Richtung beeinflussen, sei es zum Guten oder zum 
Schlimmen. Der Culturmensch, welcher durch seine Salzschwelgereien sich in 
schroffsten Gegensatz zur ganzen Thierwelt bringt, muß dadurch sich eine Blut 
verfassung schaffen, welche von der der Thiere wesentlich abweicht; ob zu Gunsten 
oder zu Ungunsten des Menschenorganismus, darüber hat die Beobachtung, wie 
wir gleich sehen werden, bestimmt entschieden. — Es ließ sich schon a priori 
vermuthen, daß die Menschen neben den natürlichen Nahrungsmitteln nicht un 
gestraft auch jährlich noch viele Tausende Centner, ja ganze Gebirge eines 
scharfen löslichen Minerals verspeisen und dem Blute einverleiben können. Der 
Kochsalzverbrauch des Culturmenschcn, fälschlich Würzung genannt, ist mehr, als 
ein Luxusconsum, er hat die Bedeutung einer allgemeinen Mineralvergiftung; 
er schafft für den Menschen einen Krankheitsboden, den das Thier nicht kennt, 
Krankheitsformen, welche er mit den Thieren nur insofern gemein hat, als er 
letztere an der Krippe zu dem unnatürlichen Mitnaschen des Kochsalzes zwingt. 
Das Kochsalzessen ist eine hygienische Erbsünde des Culturmenschen, wir 
haben diese Unart mit all ihren übelen Sekundärfolgen von unseren Vorfahren 
übernommen und von Jahrzehnt zu Jahrzehnt weiter gepflegt. Nur durch 
diese Allgemeinheit des Salzessens und durch den Mangel einer vergleichenden 
Thier- und Menschen - Hygiene konnte es geschehen, daß die Krankheitsfolgen 
unseres Salznaschens sich so lange unseren Blicken entzogen. Zufälle führten 
darauf, das Kochsalz in der Diätetik zu verdächtigen. 
In der irländischen Stadt Belfast, wo die ärmere Volksklasse meist von 
gesalzenen Speisen sich nährte, war man schon anfangs der dreißiger Jahre 
auf ein allgemeines Verkümmern und manichfaltiges Hinkränkeln der ärmeren 
Bevölkerungsschichten aufmerksam geworden. Dr. Mateer daselbst sah den größten 
Theil der Erwachsenen an solchen Körperzuständen leiden, welche heute als 
Folgen der chronischen Kochsalzvergiftung zweifellos erkannt sind: Schwäche, 
Mattigkeit und Schmerzhaftigkeit des ganzen Körpers, Magen-Nagen, Herz 
klopfen, Bruststiche, Athembeschwerden, Hämorrhoiden und Stuhlverstopfung 
und andere Krankheitserscheinungen der Salzdurchseuchung, namentlich aber 
Augen- und Nierenleiden, waren bei den Einwohnern von Belfast endemisch. 
Mateer stellte auf Grund seiner Wahrnehmungen schon damals die Behauptung 
auf: die eigentliche Wirkung des Kochsalzes sei erst Ueberreizung und darauf 
folgende bleibende Schwächung des ganzen Organismus. Er erblickt in dem 
*) Dublin Sou«. 1835. Mg. hom. Z. XIV. 92.
	        
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