Volltext: Der Naturarzt 1875 (1875)

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tretenden Abonnenten auf den in Nr. 11 d. N.-A. v. >1872 erschienenen Artikel „das 
Schrotbrod, seine Bestandtbeile und Zubereitung, seine Bedeutung für die Ge 
sundheit, seine Geschichte von H. Vogel", sowie das in Nr. 8 vom vor. Jahr mit 
getheilte Dr. Winternitz'sche Urtheil über das Schrotbrod — aufmerksam zu 
machen. G. W. 
Zweites Nachwort der Redaction. 
Vorstehendes, schon gesetzt, ging leider nicht mehr in die vorige Nummer. Inzwischen 
habe ich mit H. Gr. einen Besuch in der Mühle gemacht, aus der er sein gesummtes Mehl 
bezieht und mir dort den ganzen Prozeß der Zubereitung des Schrotmehles zeigen 
lassen und zu meiner Verwunderung gefunden: daß wir bereits ein viel besser 
gemahlenes Schrotmehl im Gebrauch haben, als H. Hahn mit Obigem uns 
eigentlich vorschlägt. Die Sache verhält sich nämlich auf folgende Weise: Ich ließ mir 
das Weizenkorn zeigen, wie es der Müller vom Oekonomen oder Getreidehändler erhält, und 
sragte dann den Müller: was geschieht nun zuerst mit demselben? Er zeigte mir auf 
ein Gerüste, den sog. Spitz- und Putz gang, wo dieses vom Dreschen mit Lehmstaub be 
haftete und sonst beschmuzte (s. v. v. Mäusedreck re.) und mit verschiedenem Unkraut oder 
anderen Pflanzenproducten gemischte Korn aus dem Sack heraus aufgeschüttet und dann 
gereinigt wird; das Resultat dieser rein mechanischen Säuberung ist ein vierfaches; 
es besteht nämlich a. aus dem nunmehr geschälten, goldgelblich aussehenden, um ein Sechstel 
seines Umfanges magerer gewordenen Wei zenkorn, wie es nicht schöner und appetitlicher 
aus der Hand der jungfräulichen Göttin Ceres kommen kann; d. aus der äußersten 
zarten, kleberlosen Hülse des Kornes (es hat bekanntlich deren drei, in deren innerster 
der weiße Stärkemehlkern eingebettet ist); er. au3 der abgebrochenen Spitze des Weizen 
kornes und den sonst zufällig mit in den Sack gekommenen anderen Pflanzensamen z. B. 
wilde Wicken (es sind dieß die schwarzen runden Kerne, welche ich häufig schon in manchem 
Schrolbrod gefunden habe, welches aus nicht so geputztem Schrotmehl bereitet wurde); 
ä. aus einem braunen Pulver oder Mehl, welches verriebene Schalen, Mäusedreck, Mahl 
steinmoleküle (Sand) und dergleichen unverdaulichen Unrath sonst eirthält. 
Auf 24 Scheffel gekauften Weizen, 4048 Pfd. wiegend, beträgt dieser dreitheilige Flug 
oder Abgang, wie man ibn in der Müllersprache nennt, laut Factura des Müllers an 
Großmann — 168 Pfd. (also 4o/o), welchen ganz unverdaulichen Ballast also alle 
Schrotbrodesser mit in ihren Magen bekommen, die ihr Brod aus Schrotmehl bereiten, 
welches auf einer Handschrotmühle (s. Nr. 9 und 10 von 1874) ohne vorherige 
mechanische Reinigung gemahlen wird; denn Waschen allein hilft hier Nichts! 
Das nunmehr so gereinigte goldgelbe Weizenkorn wird sodann auf den sog. Schrot-- 
gang gegeben und daselbst kunstgerecht vermahlen und das Product ist ein bräunlichweiß 
gefärbtes Pulver, das Schrotmehl, oder wie Th. Hahn es nennt: Einzugmehl, 
welches den ganzen Gehalt des gereinigten Weizenkornes enthält; aber nicht dieses 
einmal gemahlene Schrot- oder Einzugsmehl ist es, welches der Müller meinem Bäcker, 
H. Großmann zuschickt, sondern dieses Gemische von Mehl und Hülsen bringt der Müller 
nunmehr erst noch auf eine Art Beutel- oder Siebvorrichtung, den sog. Cylinder, 
in welchem das Einzugmehl in drei Bestandtheile getrennt wird, nämlich a. in das schnee 
weiße feinste, sog. Kaisermehl (schon früher so genannt, ehe wir wieder einen deutschen 
Kaiser haben!), b. in ein gelblich gefärbtes gröberes, sog. Griesmehl und c. in die 
Sch alenüberreste (2. und 3. Hülse), die sog. Kleie. Von diesen drei Theilen nimmt 
der Müller nun das Kaisermehl auf die Seite, giebt das Griesmehl noch einmal auf 
den Stein und läßt es zum zweiten Mat vermahlen; ebenso verfährt er aber auch mit 
den Schalenüberresten, der Kleie. Was nun bei diesen beiden nachträglichen Mahlprocessen 
gewonnen wird, ein seines und grobes Mehl, eine feine und gröbere Kleie, diese vier Bestand- 
theile vermischt der Müller jetzt wieder mit dem beim ersten Mahlgange gewonnenen 
Kaiserwehl und dieses fünffache Conglomerat oder wenn man will: Mehl-Kleiever 
quickung bildet nun das dreimal gemahlene Schrotmehl, aus welchem H. Großmann 
bisher schon sein Grahambrod hergestellt hat und auch ferner herstellen wird (den 
größeren, wohlgeformten, mit Stempel versehenen zweipfündigen Laib a 30 Pf., den 
kleineren einpfündigen a 15 Pf.). 
Nun frage ich billig jeden vernünftigen Sterblichen, der mir bis hierher aufmerksam 
gefolgt ist, ob dieses Brod nicht doch noch appetitlicher und viel verdaulicher sein muß, 
als ein solches aus Weizen, der meinetwegen eigenhändig ausgelesen, gewaschen, getrocknet 
und dann auf einer Hand schrotmühle gemahlen wird? Ich bin jetzt nach persönlicher 
Ueberzeugung in der Mühle der Ansicht, daß das beschriebene Müllerschrotmehl in der 
selben Reinheit und Feinheit nimmermehr auf der Handschrotmühle gewonnen werden 
kann, man mag die Sache angreifen, wie man will. Deshalb lasse sich nun aber ja Niemand
	        
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