Volltext: Der Naturarzt 1875 (1875)

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daher keine Ahnung gehabt, nämlich den Fleischgenuß von krankem 
Vieh! — Weiteren Forschungen, namentlich auf statistischen Wegen, bleibe es 
daher noch vorbehalten, die näheren Beziehungen der Skrophulose und Tuber 
kulose des Menschen mit der Thiertuberkulose und zwar besonders mit der 
stellenweise noch so häufig vorkommenden Rindertuberkulose (Perlsucht) näher 
festzustellen. Prof. Zürn habe bereits den Anfang gemacht, er sage: 
Die Franzosenkrankheit der Rinder ist namentlich in der Umgegend von 
Jena k. eine ziemlich häufig vorkommende Krankheit, ich glaube nicht zu übertreiben, 
wenn ich behaupte, daß ein Fünftel aller Rinder mit der Perlsucht behaftet ist! Nach 
dem statistischen Material des pathologisch-anatomischen Instituts zu Jena sind aber 
2 0 P r o z e n t aller zur Section gekommenen M e n s ch e n l e i ch e n mit Tuberkulose behaftet! 
Rekapitulation des Vorstehende». 
Jnl vorigen Jahrhundert hat man also den Genuß des Fleisches von perl 
süchtigen Thieren für den Menschen als gesundheitsgefährlich erkannt, 
weil man die Perlsucht identisch hielt mit Syphilis und diese hervorgegangen 
aus einer schrecklichen Missethat — Hurerei zwischen Mensch und Thier. 
Darauf gcfetzliches Verbot der Ausnutzung von perlfüchtigen Thieren. Später 
kam man von dieser Ansicht wieder zurück, hielt die Perlsucht für keine 
specifische Erkrankung und erlaubte darum den Verbrauch des Fleisches 
von perlfüchtigen Thieren wieder. Jetzt erklärt man die Perlsucht wieder für 
eine Erkrankung und zwar als eine veritablc Tuberkulose, stellt einen 
besondern Virus (Gift) in der Tuberkelmaterie auf und erklärt den Genuß des 
Fleisches solcher Thiere wieder als höchst nachtheilig für die Gesundheit der 
Menschen. 
Wie wandelbar ist doch das Dogma dieser menschlichen, resp. 
unfehlbaren medizinischen Wissenschaft!! 
Für Fleischesser resultirt daraus die Nothwendigkeit, sich ihrer Haut, 
resp. ihres Magens zu wehren und aller Orten auf eine gute und reelle 
Fleischbeschau zu dringen, denn — dem .Braten, wie er auf die Wirths- 
tafel kommt, der Wurst im Metzgerladen kann man die Tuberkulose nicht 
ansehen, ebensowenig der Milch, ob sie von tuberkulösen Kühen kommt. Möge 
darum eine fürsorgliche Sanitätspolizei lieber im Allgemeinen dafür Sorge 
tragen, daß nur gesundes Vieh geschlachtet und en detail verkauft werden darf, 
nur von gesunden Kühen Milch auf den Markt kommt, als den gehorsamen 
Büttel für vaceinationswüthige Mediziualkollegien abzugeben; sie wird dadurch 
der Menschheit sicher mehr nützen! Und Vegetarianer mögen dadurch noch 
mehr in ihrem Ernährungsprinzip — „Nichts vom getödteten Thiere zn 
essen" bestärkt werden, die Perlsucht der Rinder und Schweine berührt sie 
dann nicht, wohl aber bezüglich des Genusses des thierischen Productes, 
der „Milch," wer sich diesen nämlich noch erlaubt - müssen auch sie sich in 
Acht nehmen, und es wäre wünschenswerth zn erfahren, ob man Milch von 
perlfüchtigen Kühen als solche irgendwie erkennen kann, oder ob man sich hier 
lediglich auf den noch einzuführenden Vieh schütz der Behörde durch 
allgemeine öfters zu wiederholende Thierbcschau verlassen muß, der dann 
wahrlich bessere hygieinische Folgen haben dürfte, als der nur eingebildete 
und doch so kostspielige Kuhpockenimpfschutz!
	        
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