Volltext: Der Naturarzt 1871 (1871)

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schiedenen Methoden die für die Privatpraxis bequemste und nütz 
lichste sei, und 3) daß es die Aufgabe aller Aerzte sei, durch Wetter 
prüfung die handlichste, sicherste und einfachste Methode der 
Kaltwasserbehandlung in der Privatpraxis zu ermitteln. 
Ree. kann nicht umhin einzugestehen, daß der Verfasser mit großem 
Fleiße und vieler Mühe die betreffende Literatur durchgemustert hat und 
seinen wißbegierigen Kollegen, die sich bis anher vielleicht wenig oder gar 
nicht um dieses kostenlose und so wirksame Heilmittel gekümmert hatten, 
das Wissenswertheste darüber mittheilt und so mit seiner Schrift ohne 
Zweifel die Verallgemeinerung brauchbarer Erfahrungen in der Heilkunde 
fördert. Der Vers, forschte namentlich nach Mittheilungen über die An 
wendung des Thermometers als Wegweiser bei der Kalt 
wasserbehandlung und über die vom Thermometer ge 
regelte Behandlung des Typhus mit kaltem und lauem 
Wasser; unterläßt aber nicht, als guter Dr. med. auch gleichzeitig über 
medikamentöse Specisika zu berichten, welche die antipyretische 
(fiebervermindernde) Wirkung des Wassers theilen und unter 
stützen (?) und führt uns als solche Apothekenheilige folgende vor: 
1) die Chinarinde und ihre Präparate, worunter namentlich das 
Chinin eine bedeutende Rolle spielt, welches von einem berühmten 
bairischen Kliniker, Prof. v. Gietl in München*), in großen Dosen (bis 
*) Anmerkung. Unterm 10. März 1670 verwahrt sich dieser Profeffor 
v. Gietl in der Augsburger Allgern. Zeitung davor, daß ihm der Ruhn: genom 
men werde, der Erste gewesen zu sein, in dessen Klinik der Typhus aus 
schließlich mit kalten und kühlen Bädern in Verbindung großer Ga 
ben von Chinin bebandelt worden (und zwar schon seit den 40er Jahren!), 
wodurch das Mortalitätsverhältniß von 24 auf 13 bis 7 Prozent herabgesetzt 
wurde- Diesem Heilverfahren habe er noch gegen zwei höchst verderbliche Be 
gleiter des Typhus — den Kehlkopfbrand und den Gesichtsrothlauf — besondere 
Behandlungsweisen angefügt, mit denen die Todesfälle durch Kehlkopfbrand von 
4 auf 1 Prozent herabgebrächt und der Gesichtsrothlauf aus der Typhuspathologie 
S anz verdrängt wurde. In die vierziger Jahre , falle auch der Anfang seiner 
lntersuchunge'n über die U r s a ch e d e s T y p b u s, welche ihn zu dem Resul 
tate geführt: daß der Unterleibstyphus eine specifisch putride Vergiftungskrankheit 
sei, deren Gift an den Ausleerungen haste und von diesen ausströme, 
während der r e i n g e h a l t e n e Leib des Typhuskranken und dessen Leiche 
nicht anstecken. Daher sei der abdominale Typhus eine Krankheit der Fäulniß- 
stätten und der Häuser und bestehe in völliger Unabhängigkeit vom Klima. 
Wenn man nun die oben angegebenen physiologischen Wirkungen großer 
Gaben von Chinin im Auge behält und das von Gietl entdeckte charakteristische 
Wesen des Typhus — nämlich faulige Vergiftung — als sicher an 
nimmt, so fragt der gesunde Menschenverstand vergeblich: Was soll das Chinin 
nutzen — ohne Schaden hintendrein zu verursachen? Der ungelehrte Mann 
meint vielmehr, daß ein noch besseres Kurresultat erzielt werden müßte, wenn 
man das Chinin ebenfalls wegläßt und blos mit Wasser die Hitze nimmt, 
dadurch" der Fäulniß Einhalt thut und das geschwächte und ermattete Nerven-
	        
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