Volltext: Der Naturarzt 1871 (1871)

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verbreitet? Weil man in cholerischen oder diarrhöischen Aus 
leerungen weder ein Gift noch deren Fähigkeit nach 
gewiesen hat, Cholera zu bewirken, so beruhen alle Belege P e t t e n - 
kosers u. A. für die Existenz ihres Kothgistes einzig und allein auf 
m a n g e l h a f t e n und p h a n t a st i s ch e n Beobachtungen. 
Denn/ wäre das Kothgift überhaupt etwas in Wirklichkeit Existirendes, 
statt eines bloßen P h an t a si eg eb i l d es , warum hatte dann 
die sog. Desinfectiou oder Entgiftung der Ausleerungen 
sammt Abtrittgruben rc. nirgends einen positiven 
und nachweisbaren Einfluß auf den Verlaus einer 
Seuche? Warum erkranken dann Viele ohne alles auch nur ent 
fernt wahrscheinliche Zusammentreffen mit cholerischen oder diarrhöischen 
Ausleerungen unb ihrem Gifte, z. B. in isolirten Landhäusern und 
Palästen, in abge chlossenen Gefängnissen, mitten aus der hohen See 
oder auf Inseln,' wo vielleicht überall seit Jahren nicht ein ein 
ziger Eholerafall vorgekommen, und ohne daß zuvor irgend 
ein Cholerakranker oder sonst Verdächtiger anders woher dahin gelangte 
und seine Hosen umkehrte? Wenn Pettenkofer aus seinem 
Kothgift ein charakteristisches Wesen macht, das tief unter dem 
Boden durch einen ihm selbst völlig mysteriösen Prozeß 
aus harmlosen Cxcrementen hervor keimt, Wochen und Monate durch 
an Gruben, Leibichüsseln, Zimmern haften, sich durch Menschen wie 
Lust, Wasser und Effekten weithin verbreiten, jetzt einschlafen und lange 
nachher plötzlich wieder erwachen kann, glaubt man da nicht einen 
Magiker des Morgenlandes oder einen alten Quarantäne - Arzt vom 
reinsten Wasser zu hören? lind muß der Kothist, um 1000 wider 
sprechende Fälle auch nur in seinen eigenen Augen halbwegs zu erklären, 
wohl oder übel zu weiteren und immer weiteren Annahmen obiger Art 
flüchten, liegt darin nicht ein Beweis mehr gegen seine ganze ver 
schrobene Theorie, welche nothwendig zu Erklärungsversuchen gegen alle 
Wahrscheinlichkeit und Naturgesetze, d. h zu Nnstntt führt? Während 
längst nachgewiesen wurde, daß Pest, Gelbfteb r jedenfalls durch Effek 
ten , Wäsche. Waaren rc. und dergleichen nicht verschleppt werden, 
will und muß der K o t h i st unserer Tage für Cholera diese alten 
Kindermärchen wieder aufwärmen, die natürlich mit dem ganzen Koth 
gift selbst stehen und fallen Wer aber an solche glaubt, beweibt schon 
dadurch seinen immerhin bedenklichen Mangel an Einsicht und Urtheils 
reife, und zum Glück giebt es keine Autorität, welche uns Ansichten 
oder Berichte dieser Art irgendwie glaubwürdiger machen könnte. 
Gleichen sie doch in ihrer Harmlosigkeit ganz den: Glauben unserer 
Zünder, „der Storch habe ihnen die kleinen Geschwister- 
chen in die Wiege gebracht" 
aä 2 b) K o m m t gewissen Lokalitäten, ö r t l i ch e n topogra 
phischen Verhältnissen gn m al des Bodens ein 
wesentlicher Einfluß aufs Erkranken an Cholera, 
auf Entstehung und Verbreitung der Seuchen zu? 
Pettenkofer vor Allen haben wir das Wiederaufleben 
jener ebenso liebenswürdigen als wahrscheinlichen Ansicht zu danken, 
der zufolge gewisse Oertlichkeiten, Häuser, Quartiere, ja ganze Städte 
und Flußgebiete nichts mehr und nichts weniger sind als wahre 
Gift- oder Choleraheerde, d. h. wo das von außen irgend 
wie herbeigeführte Gift am besten gedeihen, sich reproduziren und in's
	        
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