Volltext: Der Naturarzt 1871 (1871)

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tragen, das halte ich nicht aus" oder: „meine Frau, mein Mann, 
mein Vater, meine Base, mein Freund sind der Ansicht re." Kurz um! 
es ist, um mit Professor Bock zu reden, mit dem so gar gescheidten, aber 
doch wieder so unwissenden, kraft- und willenlosen Patientenvolk manch 
mal nicht zum Aushalten! — Die meisten derselben kommen zu mir aus 
den Händen gewöhnlicher und außergewöhnlicher Mediziner, d. h. berühm 
ter Professoren, Medizinal-, Hof- und Geheimräthe, Generalstabsärzte, 
welche alle ihnen den guten Rath gegeben haben, neben dem Gebrauche 
der vorgeschriebenen Heilmittel ja an guter Nahrung es nicht fehlen 
zu lassen! Wenn ich dann frage: Was haben denn diese gelehrten appro- 
birten Herren unter guter Nahrung verstanden wissen wollen? — 
so bekomme ich gemeiniglich zur Antwort: Fleisch von zwei- und vier 
beinigem und beinlosem Gethiere, das Extra et davon, Eier und gutes 
bairisches Bier, auch Hoff'sches Malzsxtract, mitunter auch 
Wein! Frage ich sodann die Leute ganz ironisch: Was für gute 
Folg'en diese gelehrte, gute Nahrung nun aber bei ihnen ge 
habt habe und weßhalb sie denn eigentlich zu mir kommen und meinen 
Rath begehren, da ich doch bekanntlich nicht zu Aeskulaps dii majorum 
gentium gehöre? — da schauen die Meisten gewöhnlich ganz verdutzt 
und komisch drein und sind stark verlegen ob der richtigen Antwort. — 
Gute Nahrung, reichliche Fleischnahrung und Heilmittel 
aus den Händen der ersten Mediziner, berühmter Aerzte, Professoren an 
medizinischen Hochschulen — nun, wenn die zusammen in Jahr und 
Tag nicht geholfen haben, unter ihrem Beistände das Uebel eher 
schlimmer als besser geworden ist, dann muß doch wohl etwas oder 
gar viel faul sein im Staate materia mediea, oder in beiden, in der 
mediz. Arzneimittellehre und auch in der medizinischen Diä 
tetik! Lassen wir für heute die altersgraue materia mediea links liegen 
und halten uns blos an die medizinische Krankendiätetik, welche 
den Patienten ohne Unterschied vorzugsweise gute Nahrung, hauptsächlich 
Nahrung in Fleisch.und Fleischextract und Eiern bestehend, mit 
gutem Gewissen und großer Gelehrsamkeit verordnet! 
Der Vegetarianismus, wie man die Lehre von der fleisch 
losen Diät oder die pythagoräische Lebensweise überhaupt neuer 
dings zu nennen beliebt, hat seit ein paar Jahren auch in Deutschland 
an Anhängern gewonnen, doch sind dieselben immerhin noch sehr gering 
an Zahl, namentlich unter den höheren Ständen, unter den reichen 
Leuten, so daß die einzelnen wirklichen Bekenner, nicht blos vorüber 
gehende Aeffer derselben, namentlich in gesellschaftlichen Kreisen wegen 
ihrer Lebensweise noch großes Aufsehen erregen und auf vielfache Ver 
kennung und Mißdeutung gefaßt sein müssen. Mir selbst geht es fast 
mit allen meinen Patienten so, denen ich aus vollster Ueberzeugung, auf
	        
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