Volltext: Der Naturarzt 1871 (1871)

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Auf welchen Thatsachen und Ergebnissen beruhen nun 
all die kühnen Schlüsse V e t t e n k o f e r s? Können wir letztere als 
bewiesen und sichergestellt betrachten? — Prüfen wir zunächst die 
Gründe, warum man gerade die Ausleerungen Kranker in Ver 
dacht nimmt und ihnen so gut wie alles „Giftige" aufbürdet, so finden wir 
in Ermangelung jeglichen positiven Beweises für diese ihre 
furchtbare Rolle durch Nachweis des Giftes oder Ansteckungsstoffes darin, ebenso 
durch directe Versuche rrurlgewisse Voraussetzungen, deren Begründung 
mindestens eine höchst z w e t) e l t) a ] t e ist, welche vielmehr m i t Alle m , 
was uns Wissenschaft und unbefangene Erfahrung lehren 
— im entschiedensten Widersprüche st e hen! 
Diese Voraussetzungen sind aber: 
1) daß Cholera eine specifische, ansteckende Krankheit und nur 
„ein Kind des Ganges- Delta sei", von wo aus sie wan 
dere, sodaß fie bei uns immer nur eingeschleppt werde und 
sich verbreite durch Menschenverkehr; 
2) daß örtliche, zumal Boden- und Wohnverhältnisse, Gegen 
wart fauler Stosse, Excremente u. st w. hierbei einen großen 
bedingenden Einfluß üben. 
Nachdem O e st e r l e n dargelegt, daß die von Pettenkofer mitgetheilten 
Untersuchungen über die relative Häufigkeit der Cholera in verschiedenen 
Orten und deren mögliche Ursachen in solchem Grade stümperhaft sind 
a Professorengelehrsamkeit!), daß sie eine e r n st l i ch e K r 11 i t et g ent - 
gar n i ch t b e a n s p r u ch e n k ö n n e n, geht er Seite 50 u. fg. zttr Be 
sprechung obiger Hauptsätze der Pettenkofer'scheu Cholera- 
k o t h t h e o r i e über und sagt: 
ad 1) daß die sogenannte asiatische Cholera eine von unserer ge 
wöhnlichen B re ch ruh r specifisch verschiedene Krank 
heit sei, ist nur eine jener willkürlichen und dazu völlig grundlosen, 
wo nicht abgeschmackten Ansichten, wie sie einmal in der 
Medizin herkömmlich sind!! (Hört, hört!!) Sagt ntan aber 
vollends, Cholera sei eine bei uns n e u e K r a n k h e i t, die n u r in 
Asien, Bengalen oder sonst wo ihre eigentliche Heimath habe, und die 
bei uns von dorther nur eingeschleppt werde, so ist dies ein 
fach nicht wahr und überhaupt in jeder Hinsicht widersinnig. 
Versteht man unter Verbreitung der Cholera m i t bem Verkehr nichts 
anderes, als die Thatsache, daß die den Verkehr besonders Vermittelnden 
und weiterhin auch die mit ihnen zunächst Wkehrenden oft zuerst und 
am häufigsten erkranken, so läßt sich wohl Nichts dagegen einwenden; 
denn die Erfahrung lehrt dies und weiteres wollte oder konnte wohl 
auch der schlichte "Volksglauben Anfangs wenigstens nicht ausdrücken! 
Versteht man dagegen darunter eine Verbreitung der Cholera durch 
den Verkehr, in dem Sinne, daß die Verkehrenden, ob krank oder nicht, 
irgendwie, z. B. durch persönliche Ansteckung oder ihre Ausleerungen, 
Effekten rc. dasE-kranken Anderer bewirken und die Seuche in bis 
her freie Orte einschleppen können, so würde eine solche Ansicht Be 
weise voraussetzen, an deren Nothwendigkeit der Volksglauben so wenig 
dachte, als an deren Schwierigkeit, beziehungsweise U n m öglichkeit. 
Jedenfalls härte er diese Beweise nientals liefern können und vermag 
sie auch kein Sterblicher bis auf diesen Tag zu liefern, auch Petten- 
kofer nicht !1 
ad2a) Wird (Lholera durch ein Kothgist übertragen und
	        
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