Volltext: Der Naturarzt 1871 (1871)

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meistens da aufgeschlagen, wo gefangene Franzosen internirt waren, aber 
nicht blos unter diesen nahm sie zahlreiche Opfer, sondern auch unter 
der Civilbevölkerung. Kein Wunder daher, daß im Publikum ein pani 
scher Schrecken vor dieser schauderhaften Krankheit entstand, namentlich 
als ihre Todesopfer bald nach Hunderten zählten (hier wöchentlich 30), 
und daß auch sein legitimer Beschützer und Berather, der unfehlbare 
medizinische Heilpapst, seine Bannbulle los ließ und dessen Protektor, die 
souveräne Staatsgewalt, ebenfalls die Hände nicht müßig in den Schooß 
legte, sondern Ukas über Ukas erließ zum Impfen, als dem einzigen, 
ihm zur Zeit bekannten Mittel zur Verhütung und Ausrottung (?) der 
Menschenblattern, da er dieselben eben noch nicht mit gutem Erfolge zu 
behandeln versteht. 
Vorangehe der Ukas der medizin. Fakultät der Univer 
sität Leipzig vom 23. April; er lautet: 
„Es ist an die unterzeichnete Fakultät das Gesuch gerichtet worden, 
sich darüber zu erklären: „ob mit Gewißheit anzunehmen sei, daß die Ein 
impfung d er K u h p o ck e n einen Schutz gegen die Menschenpocken ge 
währe und ob dieser Schutz während des ganzen Lebens fortdaure, oder ob 
eine Wiederholung zu empfehlen sei? — Wir sprechen nun unsere auf viel 
tausendfältige eigene und fremde Erfahrung sich gründende Ueberzeugung in 
Folgendem aus: 
1) Die Einimpfung der Kuhpocken gewährt einen fast un 
bedingten Schutz gegen die Menschenpocken (Blatternkrankheit), falls nicht 
etwa zufällig bereits vor der Einimpfung die Ansteckung mit der Pocken 
krankheit stattgefunden hat. 
2) DieserSchutz erstreckt sich jedoch nicht auf die ganze Lebens 
zeit, sondern es pflegt die Empfänglichkeit für die Menschenpocken, wenn 
auch in gemindertem Grade, sich allmälig wieder einzustellen. 
3) Deshalb ist die Wiederholung der Impfung (Revaccina- 
tion) nach Ablauf von höchstens 10 Jahren, bei epidemischem Auf 
treten der Pocken aber (schon früher) unter allen Umständen dringend 
anzuempfehlen. 
NB. Wer sich für die Jmpffrage weiter interessirt, der wird geeignete 
Belehrung finden in dem Schriftchen von Prof. Dr. Kußmaul, betitelt: 
Zwanzig Briefe über Menschenpocken - und Kuhpocken- 
Impf u n g. Gemeinverständliche Darstellung der Jmpffrage. Freiburg 1870. 
D i e M e d i z i n i s ch e F a k u l t ä t der Universität Leipzig. 
Dr. Coccius, Dekan. Dr. Weber. Dr. Radius. Dr. Wunderlich. 
Dr. Credo. Dr. Wagner. Dr. Ludwig. Dr. Tbiersch. 
(Dr. Bock glänzt durch seine Abwesenheit!!) 
Welches geistige Armuthszeugniß sich diese Herren hiermit nicht 
ausstellen! Was werden ihre Nachkommen in 25—50 Jahren wohl dazu 
sagen? Das von diesem medizinischen Generalstab empfohlene Kuß- 
maul'sche Jmpftraktätchen hat eine gebührende Abfertigung erhal 
ten von unserem Collegen Theodor Hahn in dem Schriftchen: „Ueber 
die Menschenpocken, über die Impfung und über den Impf 
zwang. Physiatrische Antworten auf vr. Kußmaul's zwanzig
	        
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