Volltext: Der Naturarzt 1868 (1868)

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zus einer chambre garnie.“ Jene hat Elasticität, hat 
Schwellung, hat Turgescenz, — sie muß, zwischen die 
Finger genommen, einigen Widerstand zu leisten versuchen, 
ine gewisse Fülle und Dicke bieten und, losgelassen, mit 
eifrigstem Bestreben wieder in ihre frühere Lage zurück— 
schnellen; sie muß im Druck sich entfärben, losgelassen, 
cofort die frühere frischrothe Farbe annehmen; sie muß, 
gerieben, namentlich naßkalt gerieben oder längere Zeit 
zinem frischkalten Luftzug ausgesetzt, bald eine lebhaftere 
Röthung zeigen; diese hingegen ist schlaff, matt, leblos, — 
nur langfam geht oder schleicht sie, zwischen die Finger 
genommen, in ihre frühere Lage zuruͤck; dünne, fettlos 
sder auf einem todten Fettpolster oder wässerigen ödema— 
ösen Unterbette lagernd, zeigt sie geringen Widerstand 
d ändert kaum ihre vorher matte, bleiche, fahle Fär— 
hung, selbst nicht auf verstärkte Ansprache durch Kälte— 
zinflüsse, Reibung ꝛc. Jene muß sich glatt, angenehm 
weich, sammetweich, nicht trocken, nicht feucht, duftig dun⸗ 
stend, anfühlen, diese ist trocken und selbst spröde oder 
ceucht und nässend, bisweilen rauh und selbst rissig, schor— 
ig, borckig, eiternd, schwärend, voller Pusteln, Papeln, 
Blasen u. s. w. Letztere Erscheinungen können freilich, 
wie z. B. bei manchen sogen. akuten Hautkrankheiten nur 
horübergehend sein und nach ihrer Abheilung eine doppelt 
gesunde Haut darstellen; so lange sie aber bestehen, sind 
sfie immer ein Zeichen bestehender Hautkrankheit. Sie 
ind dann freilich mehr Symptome gereizter und über— 
reizter Haut, gehören also eigentlich nicht hieher. — 
Wir gehen nun zur Besprechung der Abhärtung der 
Haut über. 57 
gortsetzung folgt.) 
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— — — — — 
Liebigbrod oder Grahambrod? 
Die Warnung des Herrn Dr. Mar quart vor einer 
leichtsinnigen Bereitung des Liebig brodes (No. 46 der 
Bonner Zeitung vom Montag) wirft ihrestheils ein dankens— 
werthes weil allgemein einleuchtendes Schlaglicht auf die 
höchst fragliche Vorzüglichkeit dieser neuesten „Erfindung“ 
des berühmten Chemikers. 
,prüfet Alles und behaltet das Beste!“ ist ein guter 
Spruch. Wo so wichtige und so allgemeine Lebensinteressen 
in's Spiel kommen, gibt es kein Fachmonopol in Hinsicht 
maßgebender Erkenntniß des Besseren und Besten; es er— 
wächst vielmehr jedem denkenden Laien die Pflicht: ebeufalls 
zu prüfen. und auf Grund eigener Erfahrung dem Besten 
nachzuspüren ... 2 
Es ist sehr erfreulich, daß Liebiga gegenwärtig das 
Kleienbrod empfiehlt, weil der Ruf seines Namens denn 
doch wenigstens bewirkt, daß die große Menge der Gewohn⸗ 
heitsconservativen, welche zäh am gewohnten Alten zu hängen 
pflegt, die Brodform nicht mehr von vornherein vornehm 
ablehnen kann, sondern mit dem Grundgedanken derselben 
allmälig vertraut gemacht wird. Nur muß man nicht wäh— 
nen, dem Herrn von Liebig gebühre die Ehre der Initia— 
tive. Spat kommt er, doch er kommt! — 
Das Kleienbrod (d. h. das Brod aus ungebeutel— 
tem Weizenmehl) ist viel älter als Herrn v. Liebig's 
Themie. Schon vor 400 Jahren empfahl es der Engländer 
2* 
Thomas Tryon in seinem „Weg zur Gesundheit, lan— 
gem Leben und Glück.“ Da heißt es: „Wer einen Werth 
auf die Gesundheit setzt und der Natur treu bleiben will, 
der darf das feinste Mehl von dem gröbsten nicht trennen, 
weil das feine Mehl von Natur eine verstopfende Eigen— 
schaft besitzt, das andere hingegen eine reinigende und öff— 
nende; deshalb ist auch das aus Beiden gemachte Brod 
das beste. Es ist gesunder, leichter verdaulich und nahr— 
hafter als Brod aus feinem Mehl. Der am schlechtesten 
cheinende Theil ist für die Natur ebenso gut und wohl— 
huend wie der beste, und wenn das feinste Mehl vom grö— 
beren kleiigen getrennt wird, hat weder das eine noch 
das andere die wahre nährende Kraft des Korns. 
Der Genuß von feinem Brod ist deshalb der Gesundheit 
feindlich und der Natur und Vernunft entgegengesetzt. Es 
vurde zuerst zur Befriedigung luxuriöser Personen erfunden, 
welche fowohl über sich, als uüͤber die wahre Kraft und Wirk— 
samkeit natürlicher Dinge unwissend waren ·“· 
Vor vierhundert Jahren! So lange Zeit brauchte eine 
so einfache Wahrheit, bis ein Mann wie Liebig sich ihrer 
endlich öffentlich aunimmt. Längst vor ihm ist übrigens ein 
Anderer gekommen und hat uns die rationelle Bereitung des 
richtigen Kleienbrodes (ohne jeden chemischen Zusatz) gelehrt, 
nämlich der Prof. Dr. Sylvester Graham, ein hoch— 
zerühmter amerikanischer Physiologe. Seitdem hat sich das 
nach ihm genannte Brod in Amerika und England als 
„Grahambrod“ oder „Braunbrod“ bereits ziemlich 
eingebürgert. In Deutschland führte es zuerst Th. Hahn 
auf der Heilanstalt Waid bei St. Gallen (Verfasser des 
„Praktischen Handbuchs der naturgemäßen Heilweise“, Ber— 
lin, Grieben 1868, und Herausgeber des „Naturarztes“, 
einer Zeitschrift) mit Erfolg ein. Vor zwei Jahren wars 
sich in Nordhausen Eduard Baltzer zum Anwalt des 
Grahambrodes auf und — wurde ausgelacht! Die Leute 
meinten, Kleienbrod wäre nur gut für Hühner. Heute ist 
rs Baltzer, welcher lacht, wenn er sieht, wie das ver— 
spottete Brod von den meisten Bäckern Nordhausens bereits 
durch die ganze Stadt verfahren wird. In Hannover lie⸗ 
fern es bis jetzt sechs Bäckereien; in und um Düsseldorf 
hereiten es mehrere Familien im Hause selbst. Die Selbst— 
bereitung hat ihre Vorzüge, weil das korrekte Brod 
durchaus ehrliche Müller und Bäcker erfordert, insofern die 
Verleitung und Verführung nahe liegt. Gänzlich verwerflich 
ist das willkürliche Mischen des feinen Mehls mit Kleien, 
denn da kann das richtige Naturverhältniß, wie es die 
feine Schrotung des Ganzkorns ergiebt, nie ge— 
troffen werden. — 
Das korrekte Grahambrod ist natursüß, d. h. es wird 
ohne saurxe Gährung bereitet. Seine Wirkung auf 
die Kräftignng und Belebung einer schwachen Verdauung ist 
anschätzbar und streift fast an's Wunderbare. Alle künst⸗ 
lichen und deshalb nie unschädlichen Mittel wider das weit⸗ 
verbreitete Uebel der Unterleibsschwäche und der Verstopfung 
werden, wo man es genießt, durchaus überflüssig. 
Weizenschrot ist besser als Roggenschrot und besser als 
eine Mischung beider, wie sie Liebig empfiehlt. Ich habe 
mir aus den verschiedenen Orten und Gegenden Graham— 
brodproben kommen lassen und habe gefunden, daß das in 
Nordhausen bereitete am besten und wohlschmeckend— 
sten ist.
	        
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