Volltext: Der Naturarzt 1868 (1868)

rautes) gebrauchen ließ. Edw. Lane fand die hydro⸗ 
bathische Behandlung ganz geeignet gegen Lungentuberkeln. 
Er stützt den Erfolg auf Verbesserung der Verdauung, der 
Assimilation und folglich auch der Blutbereitung, und 
hält das Uebel für heilbar auf hydriatrischem Wege. 
Man empfahl gleichzeitig mit dem Gebrauche 
kalten Wassers auch den Aufenthalt in kal— 
ter Luft. Brehmer hat 1865 nachgewiesen, daß 
Tuberkulöse bei längerem Gebirgsaufenthalte an Thorax— 
umfang (Umfang der Brust, des Brustkorbes) und Lungen— 
rapacität (Athmungsfähigkeit) gewinnen, und somit liegen 
uns zwei Hülfsmittel gegen Lungenphthise vor, deren Wahl 
wohl dem Takte des Praktikers anheim zu geben ist.“ 
So weit der Verfasser. Was nun endlich seine Haupt—⸗ 
frage — die Heilbarkeit der Lungenphthise im Allge— 
neinen — betrifft, so beantwortet er uns dieselbe an der 
Hand seiner geschichtlichen, pathologischen und therapeu— 
tischen Untersuchungen mit einem bedingungsweisen Ja: 
„die Lungenphthise ist unter Umständen heilbar.“ (S. 2). 
Er verhehlt sich nicht, wie wir schon oben anzogen, daß 
ihr vorzubeugen unendlich leichter sei, als sie, wenn aus— 
gebildet, noch zu heilen; er gesteht ferner, wie auch leicht 
degreiflich, daß die Aussicht auf Heilung um so sicherer 
und günstiger lauten müsse, in einem je früheren Stadium 
der Phthisiker sich einer besondern ärztlichen Behandlung 
überantwortet. Wörtlich sagt er S. 5: „Es ist leichter, 
einer Lungenphthise vorzubeugen, als selbst nur eine be— 
zinnende zu heilen, und auf prophylactischem Wege sind 
sicher mehr Phthisen verhütet, als auf therapeutischem 
(selbst im weitesten und ausgedehntesten Sinne des Wortes 
genommen) geheilt worden.“ — Und die allbekannte und 
gültige Thatsache, daß Krankheiten am leichtesten 
in ihrem Entstehen bewältiget werden, gewinnt 
besonders auch seine Geltung bei der Lungenphthise.“ 
Er gesteht (8. 3) zu, daß nach den seit mehreren 
Jahrzehenden statistisch normirten Ziffern über das Vor— 
kommen und die Tödtlichkeit der Lungenphthisen diese 
„bedeutend zugenommen haben“, und sucht die Ursachen 
zu dieser Erscheinung hauptsächlich in der Concentration 
der Bevölkerungen (Zunahme der Bevölkerung in den 
Städten), in den gesellschaftlichen und gewerblichen Con— 
centrationen in Fabriken und anderen industriellen An— 
siedlungen, in der Verschlimmerung und Ent— 
artung der hygieinischen Verhältnisse über— 
haupt („diese Thatsache beweißt der Umstand“, — sagt 
der Verfasser wörtlich S. 2 — „daß man der öffentlichen 
und Privat-Hygieinik hat größere Aufmerksamkeit schenken 
müssen, als je, so lange die Welt steht), in 
der Zunahme der Lebensbedürfnisse, in der voreiligen 
Emancipation der Jugend von elterlicher, vormündlicher, 
bürgerlicher Beaufsichtigung, in den großen Militärkasernen 
und der zu massenhaften Anhäufung der Mannschaft darin, 
in der zu großen Nachgiebigkeit von Seite der Staats— 
behörden und der Familien in Heirathsbewilligungen bei 
offenbar vorhandener phthisischer Anlage.“) 
. Dies Moment fällt doppelt in's Gewicht, da gerade bei 
Phthisikern die Geschlechtslust so äußerst rege sich zeigt und diese 
also die Ursache zur Heranziehung einer ganzen phthisischen, tuber— 
ulös vergifteten Nachkommenschaft wird. 
Der Herausgeber. 
Der Verfasser hat jedenfalls mit seiner Arbeit ein für 
das Studium der Phthise und Tuberkulose überaus reiches, 
berdankenswerthes Material zusammengetragen, das frei— 
ich vom naturärztlichen Standpunkte aus noch erst zu 
ichten ist. Er bekennt ja selbst (8. 3), „daß trotz all 
der ungewöhnlichen Fortschritte, welche die heutigen Hülfs— 
vissenschaften der Medicin, die sorgfältigsten Leichenbe— 
chauungen, microscopische und chemische Analyse der 
Blutbestandtheile, die pathologische Anatomie ꝛc. genom⸗ 
nen haben, die Heilbarkeit der Lungenphthisen (nach 
medicinischen Heilgrundsätzen) solchen Fortschritten nicht 
hat nachkommen können. Das Mißverhältniß ist 
noch ungeheuer!“ 
Kleinere Mittheilungen. 
Syphilis ohne Quecksilber. Wir berichteten in N.2 
des vorigen Jahrganges, S. 15, daß Dr. J. Herrmann 
m Wiedner Krankenhause in Wien mit Genehmigung des 
Ministeriums seit 1856 in der Spitalabtheilung für 
Syphiliskranke sich aller Anwendung von Quecksilber so— 
vohl innerlich wie äußerlich enthalte. Man sollte mei— 
ien, ein zehnjähriger Nachweis von tausenden von Kranken 
nüßte nachgerade auch den blödesten Quecksilber-(warum 
richt auch Quacksalber-?) Aerzten die Augen geöffnet ha— 
»en darüber, daß die Syphilis auch sehr wohl ohne jenes 
zefährliche Gift zur Heilung übergeführt werden könne. 
Doch — mit alten, eingewurzelten Vorurtheilen ist der 
Kampf nicht in blos zehn Jahren abgethan und so darf 
ꝛs uns denn auch nicht Wunder nehmen, wenn wir in 
ieser oder jener Form immer neu den Kampf für und 
vieder fortgeführt sehen. Manchmal werden da freilich 
leider gar häßliche Waffen in den Kampf gebracht. Solche 
zatte Hr. Dr. J. Herrmann erst noch verflossenen Som— 
ner wieder abzuwehren. Er spricht darüber also: „Zwei 
Dinge sind es, welche meiner Forschung zur Grundlage 
ienen: es ist erstens die Beobachtung des natür— 
lichen Verlaufes der Syphilis bei der Be— 
andlung derselben ohne Merkur und ohne 
Jod und zweitens das physikalisch-chemische, das wissen— 
schaftliche Erperiment “·“·.— —V 
„Ich habe dieß mein Verfahren und meines Erachtens 
aach streng wissenschaftliche Vorgehen durch nahezu zehn 
Jahre im k. k. Krankenhause Wieden unter der Controle 
der Qeffentlichkeit, sowie in meiner Privatpraxis aus⸗ 
nahmslos durchgeführt, und ˖ die Statistik von bisher 
äüber zehntausend Fällen, welche ich in der öffent— 
lichen Anstalt allein behandelte, zeigt Resultate, welche 
aicht nur meiner Theorie, sondern auch meiner Heil—⸗ 
nethode der Syphilis ohne Merkur ein glänzendes Zeug— 
aiß geben.“ — — — 
„Mit Ausnahme etwa der Azteken und Samojeden 
habe ich Kranke aus allen Theilen der Welt ohne Merkur 
und mit viel Glück behandelt, und auch in allen Zonen 
der Erde Aerzte gefunden, welche den Merkur verbannen 
und an alles eher, als an dessen Heilkraft in der Sy— 
philis glauben.“ — — — 
„— — Unter solchem Ringen und Kämpfen gegen 
meine Lehre ging ein Jahrzehnd dahin; alle Waffen und
	        
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