Volltext: Der Naturarzt 1868 (1868)

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Vom KBüchertlische. 
Die Frage über die Heilbarkeit der Lungenphthisen, 
historisch, pathologisch und therapeutisch untersucht von 
Dr. Joh. Bapt. Ullersperger. Würzburg. Stahel'— 
sche Buch- und Kunsthandlung. S. VIII und 275. 2 Thlr. 
Aus der Hand eines Mediciners, herzoglichen Leib— 
arztes und Mitglied einer großen Zahl von gelehrten 
Gesellschaften und Akademien (der Titel zählt der letzteren 
22 auf) erhalten wir eine ungemein fleißige Zusammen— 
stellung zahlreicher geschichtlicher, statistischer, ätiologischer 
und pathologischer, prophylactischer und therapeutischer, 
klimatologischer und geographischer Daten, die Lungen— 
phthise (Tuberkulose oder Lungenschwindsucht) betreffend. 
Wir rechten natürlich hier nicht mit des Verfassers 
Standpunkte als medicinischem Therapeuten; die Seiten 
1932 200 zählen neben einer ganzen Reihe prophylac— 
tisch (vorbeugend) wirkender diätetischer Heilmittel auch 
das Jod und den Leberthran, das Quecksilber und den 
Spießglanz (Antimon) u. m. a. medikamentöse auf, und 
S. 239 -275 werden als von besonderer Hei lwirkung 
nach allen möglichen Autoritäten genannt: Digitalis, 
(Fingerhutkraut), Blausäure, Bilsenkraut, Stechapfel, 
Schierling, Opium, Brechwurz, Quecksilber, Spießglanz, 
Schwefel, Jod und Leberthran, Mineralbäder, Natrium— 
und Kaliumsalze, Balsame verschiedener Art, Creosot und 
Theer, Eisenchlorür und Alaun, Phosphor und Blei ꝛc. ꝛc. 
Einen bei Weitem größeren Raum in der Schriff 
nehmen jedoch die verschiedenen mehr diätetischen Kuren 
(prophylactische und therapeutische) ein, S. 145—238. 
Hier werden die Sumpf-, Niederungs⸗,*) Strand⸗ und 
Seekuren zunächst erwähnt, namentlich solche in wärmeren 
Gegenden und Ländern. Soweit die Praphylaxis die Be— 
schäftigung, Berufsart und Lebensweise zu berücksichtigen 
habe, führten wir bereits im Auszuge an (Nr. 1d. Bl. 
S. 7). Nach gewichtigen Autoritäten (S. 181) sollen die 
Fischer, die Metzger, Seifensieder, Gerber, Gassenkehrer, 
Abdecker, Schundfeger, Düngerfabrikanten, Salinenarbeiter 
in ziemlich hohem Grade vor der Tuberkulose geschützt sein. 
Wiederholt spricht der Verfasser die jedenfalls auch 
richtige Ansicht aus, z. B. wieder S. 185 auch von den 
pneumatischen Mitteln (Luftdiätetik), daß deren prophy— 
lactischer, vorbeugender, die Lungenschwindsucht verhütender 
Werth größer sei, als ihr heilende. 
Wir übergehen die Aufzählung der als prophylactisch 
wirkend angeführten Nahrungsmittel, die theils aus dem 
Pflanzenreich (Mehlhaltige, Gummi- und Schleimhaltige, 
Oel⸗, Fett- und Zuckerhaltige Früchte, Moose und Flechten, 
theils aus dem Thierreich (Gallerte von Fleisch und Knochen, 
Milch und Molken, Eier und Austern, Schildkröten und 
Krebse, Schnecken und Frösche) entnommen sind. “ 
Als eine neuere Heilerfolg sichernde Kurmethode wird 
S. 256 die folgende Fuster'sche aufgeführt: rohes Ham— 
mel⸗- oder Ochsenfleisch, zu einem Brei gestoßen und in 
mit Zucker bestreuten Kügelchen zu 2, — 6/, 8 täglich ge⸗ 
schluckt; dazu ꝛ, J Alkohol, mit 2 s3 kalten Zuckerwassers 
„ *), Sumpf⸗-, Marsch-, Mor- und Strandgegend soll eine vor— 
beugende Heilwirkung besitzen, insofern sich Paludismus (Sumpf—⸗ 
fieber, Wechselfieber, Malaria) und Tuberkulose häufig gegenseitig 
ausschließen. 
verdünnt, löffelweise von Stunde zu Stunde genommen! 
Ein Dr. Desmartis zu Bordeaur empfiehlt sogar frisches, 
Kalbs-, Ochsen- oder überhaupt Thierblut, unmittelbar 
den Adern entflossen, warm zu trinken! Ebenso schickt 
Dr. Montargis in Paris seine Lungenpatienten in die 
Schlachthäuser, sie dort Thierblut, warm und frisch den 
ebengetödteten Thieren entnommen, trinken zu lassen. 
Man sieht, die Medicinwissenschaft muß als Heilkunst 
noch arg verlegen um Heilmittel selbst bei den allerge— 
wöhnlichsten Krankheiten sein, wenn sie zu solch unge— 
heuerlich eckelhaften Kurweisen ihre Zuflucht zu nehmen 
sich gezwungen sieht. Von einer Erkenntniß allen wahren, 
naturgemäßen Heilganges in den organischen Krankheiten 
ist auch noch nicht die geringste Spur vorhanden und einen 
leitenden Grundsatz in der Therapie vermißt man darum 
auch allüberall. 
Der Kaltwasseranwendung geschieht S. 241 Erwähnung, 
mit folgenden Worten: „Der antiphlogistische (entzüundungs— 
vidrige) Apparat hatte schon von Alters her einen mäch— 
ligen Rivalen im einfachsten Antiphlogisticum, im reinen 
Wasser gefunden, so daß selbst Baron van Swieten sich 
auf dessen Anhänger ältesten Datums berief. Man wandte 
es hauptsächlich innerlich und äußerlich gegen Blutspucken 
und Lungenblutungen so kalt als möglich oder völlig als 
Eis an (ächt medicinisch unsinnigl Der Herausg.) Van 
Swieten, Haen, Sam. Musgrave, Marx waren 
Anhänger des kalten Wassers. Seit Benedictus hatte 
es als Eis wie eiskalt großen Ruf als blutstillendes 
Mittel. Martin Ghisi von Cremona, Ignazio 
Gervasio zu Monte Folisco waren warme Anhänger 
in Italien, einem Lande, wo Blutspucken so häufig 
war und ist. Der Gebrauch wurde ziemlich systematisch 
eingerichtet und man verordnete es Leuten mit schwacher 
Brust, mit Anlage zur Lungenphthise und Blutspucken. 
Man wählte hierzustets das beste Quellwasser, 
ließ eigene Diät beobachten, zuckerpflanzen— 
schleimhaltige, leicht verdauliche Vegetabi— 
lien genießen, frischgemolkeneMilch, trockenes, 
gut gebackenes Weißbrod, empfahl den Genuß 
frischer Luft, und untersagte Fleischgenuß. 
Bekanntlich hatte Schedel das kalte Wasser als pro— 
ohylactisches und palliative (Rinderungs-) Mittel in Schutz 
zenommen, während der Haupthydropath der Neuzeit 
Prießnitz, die Annahme von Phthisikern ablehnte.*) 
Dem gegenüber behauptete V. Goray zu Venedig, einen 
Kranken durch kalte Ueberschläge, auf die Brust gelegt, 
zeheilt zu haben, wobei er jedoch nebenbei Lactucarium 
den Saft eines sehr giftigen, abführend wirkenden Salat— 
*). Begreiflich, Prießnitz behandelte bekanntlich systematisch, 
methodisch; die ersten 15 Jahre wurde gar Alles, schwach oder stark, 
alt oder jung, männlich oder weiblich über einen Leisten behandelt, 
uuf 5, 6 Sktunden in die Schwitzbäder, dann in's 82–4 grädige 
Vollbad geschickt, nachher in's kalte Sitzbad, dann unter die kalte 
Douche beordert und dazu massenweise kalt Wasser getrunken und 
dei Tag und Nacht eine öfter frisch genäßte Leibbinde getragen. 
Unter solcher Mißhandlung mußten ihm natürlich außer manchen 
indern vor Allen auch die Lungenkranken und Phthisiker rasch und 
nassenweise unter den Händen sterben. Solch trauriger Weise ge— 
vitzigt und, unfähig zu individualisiren und, seine Methode grad— 
weise zu mildern, wies er später alle Lungenkranken ab. 
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