Volltext: Der Naturarzt 1868 (1868)

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ich berechtigt, bei ersteren Leidenden anzunehmen, daß die 
Geschwüre normal vernarbt waren, so mußte ich bei je— 
nen, wo Gastrodynien (Magennervenleiden) zurückblieben, 
dem Gedanken Raum geben, daß bei der Narbenbildung 
zugleich eine Anlöthung des Magens an Nachbarorgane 
erfolgt war.*) Allein die Erfolge der mehrmals statt— 
zefundenen Brunnenkur waren dennoch bedeutend und man 
konnte es wagen, sie für Genesung zu erklären. 
Meine Beobachtungen lieferten mir auch Belege, daß 
selbst scheinbar vernarbte Geschwüre wieder aufbrechen 
önnen und rasch oft die unabwendbare Katastrophe, die 
ich nicht so nahe bevorstehend ahnte, oder deren Eintritt 
ich aus den vorhandenen Symptomen gar nicht vermuthen 
konnte, durch Perforation und Gastrorrhagie (Durchboh— 
rung der Magenwand, Verletzung eines größeren Blutgefäs— 
es und Verblutung) allmählig herbeizuführen im Stande 
sind. Ich beobachtete einen merkwürdigen Fall dieser Art 
in Karlsbad bei einer Frau, die am Abend vor ihrer, 
auf den nächsten Morgen angeordneten Abreise auf die 
oorher geschilderte Weise ein rasches, ganz unerwartetes 
Ende fand. Diese Frau verlor durch eine plötzlich ein— 
getretene Magenblutung beinahe 5 Pfund Blut auf ein— 
mal, während durch beinahe volle 83 Wochen auf den 
näßigen Gebrauch des Schloßbrunnens die bedeutendsten 
Erscheinungen ihres Magenleidens, bedingt durch ein chro— 
tisches Magengeschwür, in den Hintergrund traten und 
die Hoffnung erzeugten, es dürfte durch den mäßigen 
Quellengebrauch, wenn auch keine vollkommene Genesung, 
so doch wie in mehren anderen von mir beobachteten 
Fällen dieses Magenleidens eine bedeutende Linderung 
eintreten. — 
Wie häufig dieser pathologische Proceß sich im Magen 
heranbildet, zeigen Prof. Jacksch's Mittheilungen, ent— 
nommen aus Prof. Bochdalek's Scctionsprotokollen. 
Jaksch fand bei 2330 Leichen 57 mal Magengeschwüre, 
56 mal Narben, 75 mal blutige Schleimhauterosionen 
kleinere Magengeschwüre, vergl. Hahn, Prakt. Hand— 
huch, S. 215). Im Ganzen kam somit auf 13 Leichen 
mmer ein Fall von Substanzverlust der Magenschleim— 
haut. Dahlerup entdeckte bei der Section von 200 
Leichen 26 mal Magengeschwüre, von denen 6 vernarbt 
waren, die übrigen 20 aber die völlige Perforation her— 
beiführten. 
Das Magengeschwür bildet sich meistens am Pylorus— 
(Pförtner-⸗) theil des Magens und man findet es häufiger 
in der mittleren Parthie der hinteren, seltener an der 
vorderen Pylorushälfte entwickelt. So fand Jaksch 28 
mal die Geschwürbildung auf der hinteren Magenwand, 
17 mal an der kleineren Biegung des Magens und nur 
3 mal entdeckte er dasselbe an beiden Stellen zugleich. 
Die vorgefundenen Vernarbungen zeigten sich 23 mal 
hinten, 14 mal fand sie Jaksch am kleinen Bogen und 
3 mal nicht nur im Magen, sondern gleichzeitig auch im 
Zwölffingerdarm verbreitte. — 
„*) Noch richtiger wäre, anzunehmen, daß der gleichzeitige ner—⸗ 
vöse, krampfhafte Zustand bei der Karlsbader Kur und Diät gar 
gzicht zur Heilung kam und auch wirklich wohl nur, in seltenen 
Fällen zur Heilung kommen kann. Die eine wie die andere ist 
ben nicht naturgemäß, nicht wahrhaft heilend. 
Der Herausgeber. 
Ich beobachtete den Symptomencompler des chronischen 
Magengeschwüres bei serofulösen, blutarmen und bleich— 
süchtigen Mädchen zur Zeit der Entwickelung, oder wo 
diese bereits Statt gefunden, im Gefolge von Dysmenor— 
rchoe (mangelhafter monatlicher Reinigung); bei Frauen, 
venn diese früher an erschöpfenden Blutverlusten bei der 
Nenstruation gelitten oder viele Wochenbetten überstanden 
datten, die ebenfalls mit bedeutenden Blutverlusten ver— 
yunden gewesen waren, namentlich zur Zeit, wo sie in 
die klimakterische Periode (die des Aufhörens der Men— 
truation und Empfängnißfähigkeit, um die b0oer Jahre) 
eintraten, Bei einigen war ein Uterinalinfarkt (chroni— 
scher Congestions- oder Anschoppungszustand der Gebär— 
mutter) oder eine Biegung des Gebärorgans vorhanden. 
Bei Männern beobachtete ich das Magengeschwür sel— 
tener und wo ich es zu behandeln hatte, ergaben sich der 
zichtische Krankheitsproceß oder geschlechtliche Excesse als 
ursprüngliche Veranlassungen desselben. *) 
H. S.⸗R. Dr. Fleckles giebt nun im weiteren Verfolg 
die von ihm gewöhnlich eingehaltenen balneo-therapeutischen 
Anordnungen — Trink- und Badekur von Karlsbad — 
die wir füglich, als in reinen medicinischen Träumereien 
ich ergehend, hinweglassen können. Bezeichnend dagegen 
ist, was er in diätetischer Beziehung sagt, doch haben 
vir auch hier die verkehrte Ansicht von der Fleischbrühe, 
als nicht reizend wirkend, in Rückrechnung zu bringen. 
Er sagt: „Außer dem balneo—-therapeutischen Heilapparate 
bleibt die Regulirung der Diät das wichtigste Moment 
bei der Kurleitung. u 
Je nach dem Grade des Leidens und der vorwalten⸗ 
den Idiosyncrasie (sier Ab- oder Zuneigung von oder zu 
gewissen diätetischen Genüssen) der Kranken erlaube ich 
vorzüglich gute, n icht gesalzene Fleischbrühe, Schleim-, 
Gries-, Hafermehl-, Reis-, Eier- oder Milchsuppen, stets 
nur in kleinen Mengen, wo sie vertragen werden, 
auch kleine Gaben von weißen Fleischsorten, als Kalb— 
oder Hühnerfleisch, überhaupt eine reizlose Diät, 
und wo Suppen nicht ertragen werden, leite ich eine 
Milchdiät ein. Es giebt ja Fälle von chronischem Magen— 
geschwür, wo selbst die Karlsbader Quellen niederer Tem— 
peratur wegen der Magenblutungen, und jene von Marien— 
had in Folge ihres Reichthums an Kohlensäure nicht ert 
tragen werden, Fälle, wo die Milchkur und Milchdiä— 
als die entscheidenden, einzig möglichen Heilmedien sich 
Geltung verschaffen und schöne Erfolge herbeiführen. **) 
„Denn überraschend günstig“ — sagt Niemeyer — 
*) Alle diese Nebenleiden, mögen das Zustandekommen des 
Magengeschwüres wohl begünstigen, doch veranlassende Ursache des— 
selben sind immer und in erster Linie diätetische Verkehrtheiten und 
Ausschreitungen. Man vergleiche die Abhandlungen in N. 11 -16 
o. vor. Jahrg. des N. A. und ebenso die über Verdauung und 
Ernährung am gleichen Orte. 
xv) Wir begegnen hier dem gleichen schroffen Mangelan Logik, 
den wir schon andern Orts auch den Kaltwasserfanatikern vorwarfen: 
Zann ich die allerschlimmsten Grade eines Leidens schon mit den 
allermildesten Kurweisen heilen, so brauche ich zu leichteren Graden 
desselben Leidens nicht zehnfach verstärkte oder vervielfachte Heil— 
nedien in Anwendung zu ziehen. Man behandle also die schlimm— 
tten wie die leichtesten Grade eines Leidens init der gleichen milde— 
sten, einfachsten, d. i. naturgemäßen oder diätetischen Heilweise. 
Der Herausgeber.
	        
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